Benachteiligungen nach Krebs
Eine Krebserkrankung überstanden – alles gut? Leider nicht in jedem Fall. Wir sammeln an dieser Stelle herausragende Beispiele für Benachteiligungen von Krebspatient:innen. Ziel ist es zunächst, diese Dinge zu dokumentieren.
Menschen mit und nach Krebs werden auch im weiteren Sinne oft nicht gerecht behandelt und haben Nachteile. Dies wird auf vielen Gebieten deutlich, auf denen wir arbeiten und junge Betroffene unterstützen.
Auf diesen Seiten soll es jedoch um besondere und krasse Benachteiligungen, ja Diskriminierungen gehen, bei denen dringend Veränderungen erreicht werden müssen. Noch ist die Liste der Beispiele kurz. Schickt uns Eure Erfahrungen an info@junge-erwachsene-mit-krebs.de!
Ein Verwaltungsgerichtsurteil von 2007 (Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil vom 25.09.2007, AZ 6 K 1534/06) dokumentiert einen besonders krassen Fall.
Ein junger Mann wurde nicht als Polizeibeamter auf Probe eingestellt. Bei ihm war ein Hodentumor erfolgreich behandelt worden. Seine körperliche und geistige Leistungsfähigkeit war wieder gut, sein Risiko eines Krankheitsrückfalls wurde in einem Gutachten als minimal beurteilt. Trotzdem erfolgte keine Anstellung als Beamter auf Zeit. Die Begründung des Leiters des ärztlichen Dienstes des Bereitschaftspolizeipräsidiums Baden-Württemberg:
Es „bestehe beim Kläger ein nicht exakt abschätzbares Restrisiko hinsichtlich der Entwicklung eines Tumorrezidivs. Außerdem könnten derzeit mögliche, in der Zukunft bei ihm auftretende chemotherapiebedingte Nebenwirkungen nicht sicher ausgeschlossen werden. Der Kläger könne aus polizeiärztlicher Sicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht als vollkommen geheilt und demzufolge nicht als uneingeschränkt polizeidiensttauglich beurteilt werden.“
Im Prozess wurde dem jungen Mann in einem Gutachten „eine hervorragende psychische und physische Verfassung attestiert […], die Einschränkungen für bestimmte Einsätze im Polizeidienst nicht erforderlich mache“.
Das Gericht lehnte die Klage dennoch ab und verwies auf die Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums Baden-Württemberg PDV 300 ‚Ärztliche Beurteilung der Polizeidiensttauglichkeit und der Polizeidienstfähigkeit‘. Danach dürfen Kandidaten von der Einstellung ausgeschlossen werden, wenn bei ihnen „schwerwiegende oder gehäuft auftretende Vorerkrankungen, bei denen mit Rückfällen zu rechnen ist“ vorliegen.
Wir empfinden diesen Fall und die zugrundeliegende Verwaltungsvorschrift als besonders krass, denn die Rückfallwahrscheinlichkeit nach Hodenkrebs ist gering und langfristige Nebenwirkungen der Therapie sind selten.
Gegen langfristige Benachteiligung von jungen Krebspatient:innen
Ganz generell ist es unserer Meinung nach nicht gerechtfertigt, junge Menschen nach Krebs langfristig zu benachteiligen, so bei der Verbeamtung, bei der Vergabe von Krediten, oder bei der Aufnahme in eine private Krankenversicherung.
Eine entsprechende Initiative wird auf europäischer Ebene von der Organisation Youth Cancer Europe („Right to be forgotten„) betrieben und von der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs unterstützt.
Für ein solches „Recht auf Vergessen“ kann als grobe Regel ein Zeitraum von 5 Jahren gelten. Im aufgeführten Fall des Hodentumors ist eine kürzere Zeit gerechtfertigt.
Gesetzesinitiativen in Frankreich, Belgien, Luxemburg und den Niederlanden
Zur Beendigung der Diskriminierung von Krebspatienten durch Versicherungsunternehmen und Finanzdienstleister gibt es Gesetzesinitiativen in Frankreich, Belgien, Luxemburg und den Niederlanden, wie aus einer Meldung der EVP hervorgeht.
Der Deutsche Bundestag muss sich dieser Frage in der nächsten Legislaturperiode annehmen und dabei auch die Frage der Verbeamtung beachten.
Weitere Informationen zu dieser Frage.