discovering hands im Kampf gegen den Brustkrebs und im Einsatz für die Inklusion

11. Februar 2019 – Gastbeitrag

Die Initiative

discovering hands® ist ein Sozialunternehmen, das den überlegenen Tastsinn blinder und sehbehinderter Frauen zur Verbesserung der Brustkrebsfrüherkennung einsetzt.
Blinde und sehbehinderte Frauen verfügen über eine besondere Gabe: einen überragenden Tastsinn. discovering hands bildet diese Frauen in einem neunmonatigen Training zu professionellen Medizinisch-Taktilen Untersucherinnen aus. So qualifiziert, können sie ihre herausragenden Fähigkeiten dazu nutzen, um bereits sehr kleine Veränderungen im Brustgewebe frühzeitig zu entdecken.

Informationsabend

Wann: Mittwoch 27. Februar 2019, um 18:00 Uhr
Wo: Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs – Außenstelle
Chausseestraße 50
10115 Berlin

Lernen Sie das Tätigkeitsfeld der Medizinisch-Taktilen Untersucherin (MTU) näher kennen und erhalten Sie wichtige Informationen zur Untersuchungsmethode. An Übungsmodellen können Sie selber einmal Ihr Fingerspitzengefühl unter Beweise stellen. Eine qualifizierte MTU berichtet aus ihrem Praxisalltag und beantwortet Ihre Fragen zum Thema Brustkrebsfrüherkennung.

Wir freuen uns auf Ihren Besuch!

Porträt – MTU Jessica van Bebber

„Einen Beruf auszuüben, in dem man anderen Menschen hilft, ist sehr schön.“
Die fast blinde Jessica van Bebber trägt als Medizinisch-Taktile Untersucherin mit ihrem verfeinerten Tastsinn zu einer besseren Früherkennung von Brustkrebs bei.

„Es macht mir unwahrscheinlichen Spaß, mit Menschen zu arbeiten“, erzählt Jessica van Bebber. Die Düsseldorferin hat Ende 2017 ihre Qualifizierung zur Medizinisch-Taktilen Untersucherin (MTU) erfolgreich beendet. Die 34-Jährige arbeitet an zwei Tagen pro Woche in der Düsseldorfer Frauenarztpraxis Dr. Scheele-Pescheny und ab 1.12.2018 an einem weiteren Tag in der gynäkologischen Praxis Dr. Lutz Winkler in Hilden.

Jessica van Bebber verfügt aufgrund ihrer starken Sehbehinderung über einen besonders sensiblen Tastsinn: Die MTU kann etwa 30 % mehr und bis zu 50 % kleinere Gewebeveränderungen (6 bis 8 mm) finden als Ärzte (1 bis 2 cm), was Leben retten kann. Jede Frau kann sich von ihr untersuchen lassen. In der Praxis Patientin zu sein, ist ausdrücklich keine Voraussetzung. Bereits 26 gesetzliche und alle privaten Krankenkassen übernehmen die Kosten für die Taktilographie in Höhe von 46,50 Euro. Anderweitig versicherte Frauen können die Untersuchung als IGeL-Leistung in Anspruch nehmen.

Die Sehfähigkeit der MTU beträgt etwa zwei Prozent. Ihren ausgeprägten Tastsinn nutzt sie, um in 30 bis 60 Minuten (je nach Brustgröße) Brustgewebe sowie Lymphbahnen und -knoten an Hals, Brustbein und Achseln ihrer Patientin millimetergenau und schmerzfrei zu untersuchen. Selbstklebende haptische Orientierungsstreifen auf der Brust dienen ihnen als Koordinatensystem. Van Bebber erklärt: „Unsere Patientinnen vertrauen dem besonderen Talent der MTUs und können uns in entspannter Atmosphäre auch persönliche Fragen zur Brustgesundheit stellen. Sie schätzen die schmerzfreie und sehr gründliche Untersuchung ohne Apparate.“ Das Teamwork von Arzt und MTU bietet den Patientinnen mehr Sicherheit: Die MTU ist die Tastspezialistin, die stets unter ärztlicher Verantwortung arbeitet. Der Facharzt stellt direkt im Anschluss an ihre Untersuchung aufgrund ihres Befundes die exakte medizinische Diagnose und nimmt, falls erforderlich, weitere Untersuchungen wie z.B. Ultraschall vor.

Sich beruflich für eine bessere Brustkrebsfrüherkennung einzusetzen, sieht Jessica van Bebber als erfüllende und wichtige Aufgabe an: „Ich kann mich schnell in andere hineinversetzen, diese Fähigkeit kann ich bei der Untersuchung und der Beratung der Patientinnen sehr gut einsetzen. Ich freue mich jeden Tag aufs Neue darauf, in die Praxis zu fahren. Die Gesundheit der Patientinnen liegt mir sehr am Herzen.“

Die MTU wurde mit einer Augenkrankheit geboren. „Bis ich 15 war, hatte ich etwa 30 Prozent Sehfähigkeit, danach ging es langsam runter und im Alter von 18 Jahren dann schlagartig. Eine andere Augenkrankheit kam hinzu. Ich sehe alles sehr verschwommen, aber knallige Farben kann ich erkennen und mich in gewohnten Räumen gut orientieren.“

Als Jessica van Bebber 2015 im Internet „Berufe für Blinde“ eingab, stieß sie gleich auf das Sozial- und Integrationsunternehmen discovering hands. „Da es mir wichtig ist, im sozialen Bereich zu arbeiten, war ich sofort interessiert. Ich hatte schon länger nach etwas gesucht, was mir richtig Spaß macht.“ Ursprünglich hatte sie nach dem Abitur Fremdsprachenkorrespondentin gelernt und sich während der Elternzeit sprachlich fortgebildet.

Wie alle am MTU-Beruf Interessierten nahm die empathische Frau zunächst am einwöchigen Assessment für MTUs teil. „Es enthält viel von dem, was eine MTU macht, und so kann man schnell feststellen, ob einem der Job liegt.“ Jessica van Bebber schwankte damals noch, ob sie MTU oder lieber Masseurin werden wollte. „Aber nach dem Assessment haben wir gleich einen Arbeitsvertrag für eine Festanstellung in Aussicht gestellt bekommen, auch das hat mich überzeugt.“

„Meine persönlichen Stärken kann ich als MTU voll einbringen.“

Nach ihren vielfältigen beruflichen Tätigkeiten ist Jessica van Bebber glücklich, dass sie nun ihren Wunschberuf ausüben kann. „Ich freue mich sehr, dass ich discovering hands als Arbeitgeber gefunden habe und als MTU nun endlich eine Tätigkeit ausüben kann, in der ich nicht nur meine persönlichen Stärken voll einbringen kann, sondern auch anderen Menschen helfe. Ich rate blinden und sehbehinderten Frauen dazu, diese einmalige berufliche Chance zu nutzen, wenn sie sich für einen medizinischen Beruf interessieren. Auch ohne medizinische Vorkenntnisse ist die Qualifizierung gut machbar.“

Im Alltag orientiert sich die junge Mutter mithilfe ihres Blindenstocks und mit ihrem Führhund. Die Rheinländerin ist viel draußen unterwegs und war früher Leistungsschwimmerin im Behindertensport, sogar bei den Deutschen Meisterschaften. „Eins meiner Hobbys ist Windsurfen“, sagt sie begeistert. „Dafür brauche ich eine Begleitung, die selbst surfen kann und mir sagt, was ich auf dem Brett wissen muss.“

INFO

Brustkrebs ist bei Frauen tödlichste Krebserkrankung. Die gute Nachricht: Er ist fast immer heilbar, wenn er früh entdeckt wird. Fortgebildete Medizinisch-Taktile Untersucherinnen (MTU) wie Jessica van Bebber können viel dazu beitragen, dass Brustkrebs diagnostiziert wird, solange ein Tumor noch nicht gestreut hat. Denn erst dann wird die Krankheit lebensbedrohlich. Das Mülheimer Sozialunternehmen discovering hands hat das Tätigkeitsfeld der MTU entwickelt und durch wissenschaftliche Studien die Wirksamkeit der Taktilographie bestätigen lassen. Etwa 40 MTUs arbeiten deutschlandweit in mehr als 50 Praxen und Kliniken, weitere im Ausland, z.B. in Indien und Kolumbien.

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