Ein Gastbeitrag von Silvia
Ich war in der 25. SSW, als ich die Diagnose bekam. Nach vielen HNO-Besuchen – der Lymphknotenkrebs ist bei mir in den Mandeln ausgebrochen – hatte ich endlich ein Ergebnis. Aber dass das Ergebnis so ausfällt, damit hatte ich natürlich nicht gerechnet. Ich war erst mal geschockt. Der Arzt hat mir aber von Anfang an klar gemacht, dass ich gute Heilungschancen habe und, dass das alles auch gut während der Schwangerschaft machbar ist. Meine allergrößte Stütze in diesem Moment und auch während der gesamten Therapiezeit war auf jeden Fall mein Mann. Er war dabei, als ich die Diagnose bekam und ist mir dann auch nicht mehr von der Seite gewichen. Ohne ihn hätte ich das niemals so gut gepackt. Die Diagnose bekam ich an einem Freitag. Und ab Montag war ich dann schon in der Klinik, um viele weitere Untersuchungen machen zu lassen, damit wir schnell mit der passenden Chemotherapie starten konnten.
Um ganz ehrlich zu sein, war anfangs meine Sorge groß, dass die Ärzte vielleicht nicht alles für mich tun würden, sondern sich mehr darauf konzentrieren, dass mein Baby gesund zur Welt kommt. Das fällt mir nicht leicht zuzugeben. In dieser krassen psychischen Ausnahmesituation war ich egoistisch und dachte, dass mir mein Leben wichtiger ist, als das meines ungeborenen Kindes. Gleichzeitig habe ich mich bei diesen Gedanken wahnsinnig schlecht gefühlt. Ich dachte mir, was bin ich nur für eine schlechte Mama. Und genau diesen Punkt habe ich dann im Krankenhaus mit einer Psychologin besprochen. Sie sagte mir, dass diese Gedanken ganz normal sind und, dass die Ärzte sicher alles tun, damit ich gut aus dieser Sache rauskomme. Das hat mich auf jeden Fall beruhigt – vor allen Dingen zu hören, dass diese Gedanken mich nicht zu einem schlechten Menschen machen. Heute würde ich wirklich alles für meinen Sohn tun und bin so unendlich dankbar dafür, dass er bei uns ist.
Jedenfalls habe ich während der Schwangerschaft Chemotherapien bekommen, die zum Glück sehr gut angeschlagen haben. Als meine Haare ausfielen fühlte ich mich nur noch hässlich. Ich vermied Fotos so gut es ging, obwohl ich mich so auf paar hübsche Bilder mit Babybauch gefreut hatte. Die übrigen Nebenwirkungen der Chemo waren aber gut auszuhalten. Ich war in der SSW 36+1, als die Fruchtblase platzte. Unser Sohn ist also „nur“ vier Wochen zu früh geboren.
Ungefähr fünf Wochen nach der Geburt startete dann meine Bestrahlung. Was die Nebenwirkungen angeht, war die Bestrahlung für mich deutlich schlimmer als die Chemotherapie. Anders als mir alle vorher erzählt hatten, waren die Bestrahlung heftig. Ich hatte wochenlang keinen Geschmackssinn mehr und nur noch schmerzen beim Essen, Trinken und Sprechen. Außerdem konnte ich in dieser Zeit nicht so für meinen Sohn da sein, wie ich es gerne wollte. Mein Mann kümmerte sich um ihn, während ich jeden Tag mit meinem Vater in die Klinik zur Bestrahlung fuhr. Hin- und Rückfahrt dauerten insgesamt 2 1/2 Stunden.
Ich selbst habe mich während der ganzen Zeit nur sehr wenig „extern“ informiert. Ich habe alle meine Fragen und Sorgen immer direkt mit den Ärzten besprochen. Mein Mann hat sich im Hintergrund aber schon in einige Punkte eingelesen und recherchiert. Für mich war das optimal. Ich konnte mich einfach nur auf mich konzentrieren und er hat mir in passenden Situationen von seinen Recherchen erzählt. Ich denke da ist jede Betroffene anders. Für mich war es eine große Hilfe, dass mein Mann auch bei fast allen Arztgesprächen dabei war. So musste ich keine Angst haben, dass ich irgendwas vergesse zu fragen. Und auch nach den Arztgesprächen konnten wir uns so immer gleich austauschen, was in unseren Köpfen vorgeht. Auch meine gesamte Familie gab mir riesengroßen Rückhalt. Dafür bin ich allen unglaublich dankbar.
Der Tipp, den ich geben kann: Über alles immer offen und ehrlich mit den Ärzten sprechen. Und auch alle Fragen und Sorgen immer gleich mit ihnen klären. Damit der Kopf zwischendurch wenigstens halbwegs zur Ruhe kommen konnte, habe ich mir meine Fragen immer aufgeschrieben, damit nichts vergessen wird.
Unser Sohn ist inzwischen fast zwei Jahre alt und kerngesund. Meine Ärzte meinen, dass einer zweiten Schwangerschaft nichts im Wege stehen würde. Meine Krebserkrankung war wohl einfach ein beschissener Zufall während der Schwangerschaft. Ob wir uns wirklich noch einmal trauen ein Kind zu bekommen, wissen wir noch nicht. Über das Thema Krebsrückfall während der Schwangerschaft gibt es leider kaum Studien, soweit ich weiß.
Heute genieße ich die kleinen Glücksmomente im Alltag – vielleicht mehr als manch andere. Wenn ich mit meinem Sohn in der Küche tanze und sehe wie unbeschwert er ist, dann kommen mir oft die Tränen vor Glück und Dankbarkeit das miterleben zu dürfen.