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Von der Intensivstation bis zum Ja-Wort

18. September 2025
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Gastbeitrag

Fabiana´s Geschichte

Eigentlich sollte nur eine Zyste entfernt werden. Doch am Abend nach dem Eingriff kam der Oberarzt mit einer Kollegin in mein Zimmer, setzte sich an mein Bett und sagte die Worte, die mein Leben für immer verändern sollten: „Sie haben ein Ovarialkarzinom.“

Damals wusste ich nicht einmal, dass es sich dabei um Krebs handelt. Ich dachte: „Das kriegen wir schon hin, alles halb so wild.“ Doch als der Arzt weiter erklärte, war ich wie erstarrt. Noch heute fällt es mir schwer zu begreifen, was damals wirklich geschah.

Es folgten zahlreiche Aufklärungsgespräche und medizinische Untersuchungen. Mir wurde ein Port gelegt und ich wurde auf die Chemotherapie und ihre Nebenwirkungen vorbereitet. Dann kam die große Operation: Man entfernte mir die Gebärmutter, die Eierstöcke und das Bauchfell. Damit wurde mir auch die Chance genommen, eigene Kinder zu bekommen. Die Klinik hätte mir – obwohl es nicht den Leitlinien entsprach – die Möglichkeit zur Fruchtbarkeitserhaltung gegeben, da ich erst 27 Jahre alt und kinderlos war. Ich entschied mich jedoch dagegen, da dies eine Hormontherapie und eine künstliche Befruchtung bedeutet hätte – beides mit geringen Erfolgschancen und hohem Risiko.

 

 

Zu diesem Zeitpunkt befand ich mich bereits im dritten Stadium. Der Krebs hatte gestreut – einmal am Darm und einmal an der Magenwand. Trotz allem: Ich bereue meine Entscheidung bis heute nicht.
Kurz nach der OP begann die Chemotherapie – sechs Zyklen insgesamt. Leider vertrug ich sie überhaupt nicht. Nach jeder Sitzung musste ich ins Krankenhaus, litt unter extremen Bauchschmerzen und musste teilweise ruhiggestellt werden. Während der Chemo erkrankte ich zweimal an Corona, und meine Blutwerte wurden zunehmend schlechter. Nach der dritten Behandlung ging es mir so schlecht, dass wir den Rettungswagen rufen mussten – ich hatte mich heftig übergeben und hatte unerträgliche Schmerzen. Die Ursache: eine seltene Nebenwirkung eines der Medikamente – es kam zu einem Darmdurchbruch.

Ich wurde sofort notoperiert und verbrachte rund zwei Wochen auf der Intensivstation. Das war mit Abstand die schlimmste Zeit. Ich war allein. Die Ärzt:innen und Pfleger:innen kamen nur in Schutzkleidung – mit Masken, Hüten, Anzügen. Täglich durfte mich nur eine Person für eine Stunde besuchen. Ich habe mich noch nie so einsam und ausgeliefert gefühlt.

Die letzten drei Chemozyklen verliefen besser, weil das Medikament umgestellt wurde. Trotzdem war mein Körper am Limit – die Kombination aus schwerer Operation und Chemo hat mich und meine Familie durch die letzte Zeit unseres Lebens geführt. Meine Haare begannen erst nach mehreren Monaten wieder zu wachsen, und ich brauchte lange, bis ich etwas wie Normalität zurück spürte.

 

 

Doch dann – 2024 – kam die nächste Nachricht: ein Rezidiv. Wieder machte ich mir große Sorgen. Zum Glück stellte sich heraus, dass diesmal nur eine Operation nötig war: Mai 2025.

Ich hatte starke Schmerzen in der rechten Seite und bekam schlecht Luft. Mein Hausarzt war im Urlaub, also ging ich zu meiner Frauenärztin – sie kannte meine Vorgeschichte gut und wusste, dass wir nichts übersehen durften. Im Ultraschall entdeckte sie zwei auffällige Strukturen im linken Beckenbereich. Ich bekam sofort eine Überweisung ins Krankenhaus. Dort bestätigte ein CT am nächsten Tag den Verdacht: mehrere Raumforderungen im Becken – und zusätzlich multiple Lebermetastasen.

Wieder ging alles sehr schnell. Eine weitere Chemotherapie war notwendig. Die letzten Wochen bestanden aus vielen Arztterminen und weiteren Untersuchungen. Die Lebermetastasen liegen im Gewebe, sodass eine Operation nicht möglich oder zu riskant wäre. Eine OP würde die Chemotherapie um mehrere Monate verzögern – und das Risiko, dass sich in der Zwischenzeit neue Metastasen bilden oder bestehende wachsen, wäre zu groß.

Am 12. Mai 2025 bekam ich meine erste Chemotherapie – und von nun an alle drei Wochen eine.
Mir wurde bereits gesagt, dass ich mit einem erneuten Haarverlust rechnen muss. Es macht mir nicht mehr so viel Angst wie damals. Zudem wurde festgestellt, dass es sich bei meinem Krebs um einen Granulosazelltumor handelt – eine sehr seltene Form. Nur etwa 100 Menschen erkranken jährlich in
Deutschland daran. Es gibt kaum Studien, kaum gesicherte Erkenntnisse.

 

 

Aktuell (28.08.2025) habe ich meine dritte Chemotherapie hinter mich gebracht. Am 22. August 2025 haben wir uns – wie schon lange vor der neuen Diagnose geplant – das Ja-Wort gegeben. Wir sind unglaublich froh, diesen Schritt gegangen zu sein. An diesem Tag konnten wir so viele schöne, neue Momente erleben und die Zeit mit unseren Liebsten in vollen Zügen genießen. Diese Erinnerungen geben mir viel Kraft für die nächsten drei Zyklen, die noch vor mir liegen.

Bei der letzten Besprechung in der Klinik wurde mir erklärt, dass man das Medikament Carboplatin trotz meiner allergischen Reaktion noch einmal ausprobieren möchte. Dieses Mal soll es über einen Zeitraum von 12 Stunden verabreicht werden, während eine Ärztin die ganze Zeit an meiner Seite ist – für den Fall, dass wieder Komplikationen auftreten. Sollte es erneut zu einer Reaktion kommen, müsste auf ein noch stärkeres Medikament gewechselt werden.

Ab diesem Punkt gäbe es jedoch keinen klaren Leitfaden oder erprobte Fallbeispiele mehr, da meine Krebsart sehr selten ist und gerade bei jungen Menschen kaum erforscht wurde.

Aber ich gebe nicht auf. Ich denke weiter positiv und bleibe stark. Für mich. Für meine Familie. Für meine Freunde.