Ein Gastbeitrag von Stefanie
Mit 26 besteht das Leben meist aus vielen Zielen, Träumen und Wünschen, auf die man hinarbeitet oder die man schon teilweise umgesetzt hat – das sollte es zumindest.
Es war Ende April 2021 als ich die Diagnose Eierstockkrebs bekam und ich das Gefühl hatte, dass sich all meine Ziele und Zukunftspläne von einem auf den anderen Moment in Luft auflösen würden. Da stand ich auf einmal, in Los Angeles, der Ort in den ich mich vor Jahren verliebt hatte, in den Entzügen meines Masterstudiums an meiner geliebten Uni, mit so vielen Plänen und Jobchancen. Alles, worauf ich jahrelang hingearbeitet hatte. Da stand ich auf einmal, so leer und verlassen und vor allem ganz alleine, da mich durch Corona keiner direkt besuchen konnte oder es zumindest sehr schwierig war.
Die Nachricht an meine Familie zu vermitteln und an meine liebsten Personen, das war das Schlimmste, da ich wusste, dass mir keiner direkt helfen kann. Ich wollte meinen Abschluss in den nächsten acht Wochen dort unbedingt fertig bekommen und biss die Zähne zusammen. Es folgten Untersuchungen, zwei Operationen, das Einfrieren von Eizellen und schließlich der Beginn der ersten Chemotherapie und währenddessen der letzte Feinschliff an meiner Masterarbeit und des letzten Kurses. Noch nie hatte ich mich so sehr danach gesehnt nach Hause, nach Düsseldorf, fliegen zu können und nicht mehr alleine zu sein. Es war eine schwierige Zeit und ich wusste, dass noch viele schwierige Monate vor mir liegen würden. Aber ich wollte kämpfen, ich wollte leben. Im Juni konnte ich dann endlich nach Hause fliegen und habe dort die Therapien fortgesetzt. Die Haare fielen aus, die Kraft ließ nach und es standen immer noch so viele Fragen im Raum. Wird man jemals Kinder haben können? Kann ich zurück in die USA und meinen Job dort im nächsten Jahr annehmen? Was ist mit meiner Selbstständigkeit, die ich mir während des Studiums aufgebaut habe? Werde ich im nächsten Jahr überhaupt gesund sein? So viele Fragen, die niemand beantworten kann. Auch die psychischen Sorgen kamen immer mehr in mir hoch, die ausgefallenen Haare, die neue Perücke, einfach dieses ständig kranke und erschöpfte Gefühl. Es war einfach alles so anders.
Als ich dann die Nachricht erhielt, dass mein Jobwunsch in den USA nicht umgesetzt werden kann, natürlich wegen der gesundheitlichen Situation, brach für mich eine Welt zusammen. Ich hatte doch so lange darauf hingearbeitet. Es war doch immer mein Traum.
Aber ich ließ den Kopf nicht hängen und habe meine Selbstständigkeit in Deutschland weitergeführt. Ich habe weiter Sport gemacht, mich gesund ernährt, habe mir trotz der zahlreichen Arztbesuche den Willen nicht nehmen lassen. Ich wollte wieder glücklich sein, mein Leben genießen und all das umsetzen, was ich immer vorhatte. An meiner Seite war stets mein Freund, welcher in keiner Sekunde daran gezweifelt hat mich auch nur hängenzulassen. Niemals hat er mir das Gefühl gegeben, ich sei alleine – er war immer da und ich weiß, dass es so viele schwierige Situationen gab. Das ist mit Geld einfach nicht zu bezahlen. Genauso wie meine Eltern und meine engsten Freunde – und das sollte man niemals für selbstverständlich halten.
Im September steht nun eine weitere, etwas größere Operation noch an. Man sieht also, dass es nach der Chemo nicht gleich vorbei ist. Es gibt Erhaltungstherapien, immer wieder kleine oder größere Nachrichten, die einen zum Zweifeln bringen, aber das wichtigste ist, immer nach vorne zu schauen. Mehr schöne als schlechte Momente zu haben und dabei die richtigen Personen um sich zu haben. Ich muss sagen, dass die Diagnose im letzten Jahr auch so viel Schönes bewirkt hat. Man bekommt einen ganz anderen Blick aufs Leben und schätzt jede Kleinigkeit, auch wenn ich das vorher durch viele Ereignisse auch schon getan habe. Aber man verändert sich einfach. Es ist alles anders als vorher, aber nicht schlechter. Ich bin glücklich so viele schöne neue Momente in der Zeit und auch jetzt haben zu können. Natürlich gibt es traurige und verzweifelte Tage, aber das ist menschlich, das ist auch gut so. Ich habe mich der Situation angepasst und mein Leben danach gerichtet trotzdem immer nach meinen Wünschen und Zielen. Das ist machbar und ich hoffe nach der nächsten Operation erstmal ein paar Jahre Ruhe haben zu können. Weiterzuleben, meinen Jobzielen nachzugehen und eine Familie gründen zu können.
Man weiß schließlich nie was kommt, aber man hat nur ein Leben und das sollte man nutzen. Es ist nicht immer schön, aber immer lebenswert und wer weiß, was das Leben alles noch bringen mag, man darf nur nie aufgeben. Vielleicht schien mein Traum in den USA zunächst geplatzt, aber unmöglich ist er trotzdem nicht und es gibt noch so viele andere Türen, die zu öffnen sind. Das geht allerdings nur mit Gesundheit und das sollte man sich viel öfter vor Augen führen.
– Nur, weil es jetzt gerade schwierig ist, bedeutet das nicht, dass es nicht noch schön werden kann –
Moritz Wilken