…oder wenn man plötzlich eine emotionale Verbindung zu Schuhen aufbaut
Ein Gastbeitrag von Dunja
Die Festival- und Konzertsaison ist in vollem Gange. Genau zwei Jahre nach der letzten Chemotherapie sind diese Abenteuer für mich wieder möglich. Ich kann wieder dabei sein, erfreue mich am Leben und all den Abenteuern, die dieses Leben mit sich bringt. Dennoch begegne ich diesen Abenteuern nun anders. Ich habe das Gefühl diese mehr genießen und schätzen zu können.
Immer wieder schleichen sich in diesen Momenten jedoch auch Bilder in den Kopf von einer Zeit, in der das für mich nicht möglich war. Ich denke hierbei an grüne, lange Krankenhausflure, Infusionsständer, Tabletten und Portnadeln. Gleichzeitig sehe ich jedoch eine bunte, tanzende Vielfalt an Menschen vor mir, die das Leben feiert. Das tue ich auch wieder, jeden Moment egal wie groß oder klein dieser ist.
Die Unterschiede des Alltags
Neben den Gegensätzen, die mir in den Kopf schleichen, wenn ich die bunte Festivalmasse betrachte, gibt es einige andere die mir regelmäßig im Alltag begegnen. Es macht nämlich einen Unterschied, ob die Pulsuhr in der Reha bereits nach 50 gelaufenen Metern Alarm schlägt und einen Puls von 175 anzeigt oder ob man wieder einen 10km Lauf absolvieren kann, ohne am Ende seiner Kräfte zu sein. Es macht einen Unterschied, ob man sich vom Taxi zur Uniklinik bringen lässt, oder seine Termine nun mit dem Fahrrad wahrnehmen kann. Es macht einen Unterschied, ob man kurze oder lange Haare hat.
Es fühlt sich anders an machtlos zu sein und Kontrolle abgeben zu müssen und dann plötzlich wieder das Gefühl zu haben Dinge anpacken zu können. Und ja, wenn man eine emotionale Verbindung zu Schuhen aufbaut, die vorher über Krankenhausflure geschlendert sind und nun über abgeranzte Festivalwiesen tanzen dann ist man wohl dabei diese zurückliegende Krankheit in sein Leben zu integrieren.
Einfach abschließen…?
Somit ergibt auch die in meiner Wahrnehmung damals als provokant empfundene Frage meiner Psychoonkologin plötzlich Sinn. Auf meinen Wunsch mit dem ganzen Schlamassel endlich abschließen zu wollen, begegnete sie mir mit der Frage, ob dies denn überhaupt möglich sei. Ich glaube nun eine Antwort gefunden zu haben – Komplett abschließen scheint wohl nicht möglich, aber integrieren und einen Weg finden die gemachten Erfahrungen in den neuen Lebensalltag zu integrieren, das scheint möglich. Und ehrlich gesagt ist das auch vollkommen ok so!