Bürgergeld und Hilfe zum Lebensunterhalt für Studierende
Wer das Studium aufgrund von Krankheit oder Behinderung für länger als drei Monate unterbrechen muss, ist nicht mehr in einer Ausbildung, die „dem Grunde nach BAföG-förderungsfähig“ ist. Ein Anspruch auf Bürgergeld (früher: Arbeitslosengeld II) ist deshalb nicht mehr ausgeschlossen. Eine guten Überblick zu den Finanzierungsmöglichkeiten bei krankheitsbedingter Studienunterbrechung bietet das Deutsche Studierendenwerk.
„Bedürftige“ Studierende haben Anspruch auf Transferleistungen.
Bedürftigkeit bedeutet: es ist kein oder unzureichendes Einkommen (z. B. Unterhalt durch die Eltern) und kein Vermögen oder Ersparnisse vorhanden. Hier gibt es bestimmte Grenzen und auch Freibeträge (§11,12,30 SGB II. §82, 85, 90 SGB XII), was an dieser Stelle nicht detailliert ausgeführt werden kann.
Studierende, die zusammen mit ihren Partnern leben, bilden eine Bedarfsgemeinschaft (§7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II). Dies gilt auch für das Zusammenleben mit Angehörigen, wie der eigenen Familie. In diesen Fällen wird ein gemeinsamer Bedarf errechnet und neben dem eigenen Einkommen und Vermögen und der eigenen Lebenssituation, auch das des Partners, der Angehörigen geprüft (§ 9 Abs. 2 SGB II). Besonders zu beachten ist, dass auch bei unverheirateten Paaren davon ausgegangen wird, dass sie füreinander „einstehen“ (Verantwortungs- und Einstehgemeinschaft), wenn sie z. B. länger als ein Jahr oder mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben (§7 Abs. 3a Nr.1 und 2 SGB II). Das heißt, es wird nach bestimmten Regelsätzen ein gemeinsamer Bedarf berechnet und dann das Einkommen und Vermögen beider Personen berücksichtigt. Wenn dieses den Bedarf übersteigt, hat man keinen Anspruch.
Bürgergeld
Dauert die Unterbrechung der Ausbildung durch Krankheit länger als drei Monate, aber kürzer als sechs Monate, kann Bürgergeld (früher ALG II, Hartz IV) beantragt werden. Rechtliche Grundlage ist, dass die Studierenden in diesem Fall weiter als „erwerbsfähig“ gelten.
Der Anspruch auf Bürgergeld besteht für sechs Monate nach Beginn der Unterbrechung der Ausbildung.
Studierende können in bestimmten Studiengängen und Studienphasen einen Anspruch auf ALG II haben (Handbuch Studium und Behinderung, Kap. 7, S. 124f). Muss das Studium im Falle einer Behinderung oder schwerwiegenden Erkrankung für länger als drei Monate unterbrochen werden, befindet man sich nicht mehr in einer „dem Grunde nach BAföG-förderungsfähigen Ausbildung“. Somit können nach Ablauf des BAföG-Anspruchs (auch wenn vorher kein BAföG bezogen wurde) bei bestehender Hilfebedürftigkeit und Krankschreibung ALG II-Leistungen zum Lebensunterhalt beantragt werden. (Handbuch Studium und Behinderung, Kap. 7, S. 129).
Das bedeutet: sobald man das Studium wegen einer Krebsdiagnose voraussichtlich länger als drei Monate unterbrechen muss, was in der Regel der Fall ist, ist es erstmal möglich ALG II zu erhalten.
Luisa, 25 Jahre*, Studentin, Hodgkin Lymphom
ALG II muss beim zuständigen Jobcenter beantragt werden. Ein Vordruck für den Antrag ALG II kann hier eingesehen und heruntergeladen werden.
Es ist sinnvoll, den Antrag bereits vorher herunterzuladen und soweit man kann auszufüllen. Unbedingt die in dem Antrag abgefragten Unterlagen zusammensuchen! Dann geht die ganze Beantragung meiner Erfahrung nach etwas schneller. Es ist auch gut, sich von einer Vertrauensperson helfen zu lassen. Bei Dingen, die unklar sind, sollte man sich Fragen notieren. Die Fragen kann man dann im Job-Center klären. Darauf hat man einen Anspruch!
Luisa, 25 Jahre*, Studentin, Hodgkin Lymphom
Mich hat sehr belastet, dass ich viele Termine beim Jobcenter wahrnehmen musste und laufend neue Unterlagen gefordert wurden. In der starren Bürokratie des Jobcenters war ich ein Sonderfall, da man einerseits als „erwerbsfähig“ gilt und damit im System des Jobcenters Termine, beispielsweise in der Abteilung der Jobvermittlung vorgesehen sind, obwohl man andererseits krank ist und von vorneherein klar ist, dass man nicht arbeiten gehen kann. Trotzdem habe ich diese Termine wahrnehmen müssen.
Luisa, 25 Jahre*, Studentin, Hodgkin Lymphom
Tipp: Bei Bezug von ALG II (Hartz IV) muss man Termine nicht wahrnehmen und nicht an Maßnahmen teilnehmen, wenn man krank ist. Zur Pflicht gehört es laut § 56 SGB II, das Jobcenter unverzüglich über die Krankheit zu informieren. Mit einer Krankschreibung hätte man im vorliegenden Fall wahrscheinlich die zusätzliche Belastung durch die Termine verhindern können.
Anrechnung von Unterhalt und Einkünften:
- Eltern sind ihren Kindern gegenüber unterhaltspflichtig. Das Gleiche gilt für Ehepartner, in den meisten Fällen auch nach einer Scheidung. Die geschuldeten Unterhaltsleistungen der Angehörigen werden auf ALG II angerechnet, also von der Zahlung abgezogen.
- ALG II ist jedoch elternunabhängig, wenn die antragstellende Person eine Erstausbildung abgeschlossen hat oder mindestens 25 Jahre alt ist (§ 33 Abs. 2 SGB II)
- Einkünfte werden ebenfalls im Grundsatz auf das ALG II angerechnet.
Für die Anrechnung gibt es komplizierte Ausnahmen, die hier nicht dargestellt werden können.
Ich wurde vor meiner Krebsdiagnose im Studium zum Teil von meinen Eltern unterstützt und hatte einen Job als studentische Hilfskraft.
Ich habe dann mit 25 Jahren während meiner Behandlung einen Antrag auf ALG II gestellt.
Trotz der vorausgehenden Unterstützung meiner Eltern reichte in meinem Fall ein Schreiben meiner Eltern, in dem sie bestätigten, dass sie mich ab dem Datum der Antragstellung für ALG II nicht mehr unterstützen werden. Dazu musste ich noch Kontoauszüge einreichen, durch die ersichtlich wurde, dass sie mich wirklich nicht mehr unterstützen. (Das Job-Center fragte hier nach dem Einkommen der Studierenden. Weiterlaufende Zahlungen der Eltern, auch ohne Unterhaltspflicht, wären Einkommen gewesen und wären unter Umständen angerechnet worden – d. Red.)
Luisa, 25 Jahre*, Studentin, Hodgkin Lymphom
ALG II ist elternunabhängig, wenn eine der folgenden Voraussetzungen besteht (§33 Abs. 2 SGB II):
- die Erstausbildung ist abgeschlossen
- Antragsteller*innen sind mindestens 25 Jahre alt
Anders ist es allerdings, wenn man in einem Haushalt mit den Eltern lebt (§§ 7 Abs. 3, 9 Abs. 5 SGB II). Dann bildet man eine Bedarfsgemeinschaft.
Zusätzlich können Leistungen unter anderem beantragt werden für:
- Mehrbedarfe,
- Bedarfe für Unterkunft und Heizung,
- Bedarfe für Bildung und Teilhabe
Eine Übersicht findet man beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales.
Die Regelungen im einzelnen sind kompliziert und können hier nicht dargestellt werden.
Leider nein. Die Höhe des ALG II entspricht der Sozialhilfe. Es wird der gleiche sogenannte Regelbedarf gezahlt. Das Geld kommt jedoch aus unterschiedlichen Töpfen (ALG II: Arbeitsagentur, Hilfe zum Lebensunterhalt: Sozialamt).
Sozialhilfe
Nach Ablauf der sechs Monate gibt es für bedürftige Studenten nur noch die Möglichkeit, Sozialhilfe zu beantragen.
Im SGB XII werden zwei Formen von Sozialhilfe unterschieden:
- Hilfe zum Lebensunterhalt (Drittes Kapitel SGB XII)
Studierende haben bei Bedürftigkeit Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt,wenn sie voraussichtlich für mehr als 6 Monate nicht studieren können, jedoch nicht dauerhaft aus gesundheitlichen Gründen erwerbsunfähig sind. Dies ist nicht selten, da viele Therapien bei jungen Krebspatient*innen sehr intensiv sind und oft länger als 6 Monate dauern
- Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Viertes Kapitel SGB XII).
Grundsicherung bei Erwerbsminderung steht Personen zu, die dauerhaft aus gesundheitlichen Gründen erwerbsunfähig sind.
Die Sozialhilfe ist für Studierende mit oder nach Krebserkrankung der letzte Anker, wenn es kein BAföG mehr gibt, kein Krankengeld, kein ALG II.
Die Bestimmungen sind kompliziert und hier nicht im Einzelnen darstellbar. Die Höhe der Leistungen unterscheidet sich bei der Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung prinzipiell nicht.
Nähere Informationen findet man beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales.
Für Hilfe zum Lebensunterhalt und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sind die kreisfreien Städte und die Kreise mit ihren Sozialämtern zuständig (§ 3 SGB XII). Je nachdem wo man wohnt, ist das Sozialamt bei der Stadtverwaltung, dem Landratsamt bzw. der Kreisverwaltung zu finden. In Berlin wird der Antrag beim Bezirksamt des Wohnbezirks gestellt. Allerdings kann der exakte Name für das “Sozialamt” unterschiedlich sein, z. B.: “Fachamt Grundsicherung und Soziales und Soziales Dienstleistungszentrum”.
Allgemein ist es empfehlenswert, den Antrag schriftlich zu stellen und eine Kopie für die eigenen Unterlagen zu machen. Die Formulare bekommt man bei den oben genannten Behörden. Sie unterscheiden sich in der Form je nach Bundesland. Ein Vordruck für den Antrag kann als Beispiel (Berlin) hier eingesehen und heruntergeladen werden.
Zusätzlich können in einem selbst formulierten Antragsschreiben benötigte Leistungen und (z. B. krankheitsbezogene) Bedarfe aufgelistet und begründet werden. Betroffene haben einen Anspruch auf die Prüfung des Antrags und einen begründeten schriftlichen Bescheid, wenn sie dies verlangen (§33, 35 SGB X). Allgemeine Hilfen und Informationen zu Antragsverfahren findet man in Kürze auf unseren Seiten.
Ab einem Alter von 25 Jahren müssen Personen einen eigenen Antrag auf Sozialhilfe stellen. Dies ist unabhängig davon, ob sie bei den Eltern wohnen oder bereits eine eigene Wohnung bezogen haben.
Die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel SGB XII sind von Einkommen und Vermögen der Eltern abhängig (§ 94 SGB XII).
- Eltern sind ihren Kindern gegenüber unterhaltspflichtig. Das Gleiche gilt für Ehepartner, in den meisten Fällen auch nach einer Scheidung. Die geschuldeten Unterhaltsleistungen der Angehörigen werden auf die Hilfe zum Lebensunterhalt angerechnet, also von der Zahlung abgezogen.
- Geschuldete Unterhaltsleistungen der Angehörigen werden jedoch nur dann auf die Grundsicherung bei Erwerbsminderung angerechnet und von der Zahlung abgezogen, wenn das Einkommen des Unterhaltspflichtigen über 100.000 Euro / Jahr liegt (§ 43 Abs. 5 SGB XII)
- Einkünfte werden angerechnet. Für die Anrechnung gibt es komplizierte Regeln und Ausnahmen.
- Eventuell vorhandene Ersparnisse oder Vermögen müssen aufgebraucht sein.
- Aufgrund der komplizierten Regelungen ist eine individuelle Beratung, z. B. bei dem Studierendenwerk, den Sozialverbänden oder Verbraucherorganisationen sinnvoll.
Neben dem Regelsatz können zusätzliche Leistungen beantragt werden:
- Leistungen für eine angemessene Unterkunft
- Heizung
- ein Mehrbedarf.
- Zusätzlich können auch einmalige Leistungen in Anspruch genommen werden.
Die Regelungen im einzelnen sind kompliziert und bedürfen einer individuellen Beratung.
Gute Anlaufstellen sind die Sozialberatungsstellen der Studentenwerke.
In der Regel nicht. Studierende haben noch nicht oder nicht ausreichend in die Rentenversicherung eingezahlt, da sie noch nicht die entsprechenden versicherungspflichtigen Tätigkeiten ausgeübt haben
Hier liegt ein weit verbreiteter Irrtum vor. Es gibt keine gesetzliche Berufsunfähigkeitsrente. Dies gibt es nur, wenn man eine entsprechende private Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen hat. Näheres findet man auf unserer Seite zur Berufsunfähigkeitsversicherung.
Die gesetzlichen Regeln für die Sozialhilfe finden sich im Sozialgesetzbuch XII (SGB XII).
Hier heißt es im ersten Satz des § 1: „Aufgabe der Sozialhilfe ist es, den Leistungsberechtigten die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht. Die Leistung soll sie so weit wie möglich befähigen, unabhängig von ihr zu leben; darauf haben auch die Leistungsberechtigten nach ihren Kräften hinzuarbeiten.“