Bewerbung, Bewerbungsgespräch und Offenlegung der Schwerbehinderung
Ob man eine Schwerbehinderung in einem Bewerbungsgespräch und bei der Arbeit offenlegen soll, ist eine häufig geäußerte Frage an die Stiftung. Es kommt auch auf die Situation an. In der Folge einige Fragen und Antworten.
Grundsätzlich ist man nicht verpflichtet, seine Behinderung im Bewerbungsschreiben offenzulegen. Eine Pauschallösung gibt es hier jedoch nicht. Das hängt stark von der Stelle und von der Art der Behinderung ab. Ist letztere nicht zu übersehen und werden eventuell besondere Anforderungen an den Arbeitsplatz gestellt, die mit der Behinderung in Widerspruch geraten können, sollte sie nicht verschwiegen werden. Ist man beispielsweise auf den Rollstuhl angewiesen und wird zum Vorstellungsgespräch eingeladen, dann sollte man das den Arbeitgeber auch vorab wissen lassen.
Eine gute Zusammenfassung zu dieser Frage findet sich beim VdK:
https://www.vdk.de/deutschland/pages/teilhabe_und_behinderung/72152/behinderung_muss_im_bewerbungsschreiben_nicht_angegeben_werden
Die Frage gilt als ebenso unzulässig, wie zum Beispiel sich nach einer Schwangerschaft zu erkundigen. Fragen wie diese können bei einer anschließenden Ablehnung des Bewerbers als Hinweis für eine Diskriminierung ausgelegt werden. Dennoch wird manchmal nach einer Behinderung gefragt. In der Praxis hilft es dann nicht, den Arbeitgeber auf die Unzulässigkeit hinzuweisen. Insofern ist es ratsam, sich im Vorstellungsgespräch auf eine solche Frage einzustellen. Bei unzulässigen Fragen besteht allerdings keine Verpflichtung, wahrheitsgemäß zu antworten. Es darf in diesem Fall sogar von dem durch das Bundesarbeitsgericht zugebilligten „Recht zur Lüge“ Gebrauch gemacht werden.
Wer sich auf eine Stelle im öffentlichen Dienst bewirbt und zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden will, sollte die Tatsache, dass er / sie schwerbehindert ist, durchaus schon im Bewerbungsschreiben angeben. Denn schwerbehinderte Stellenbewerber haben bei öffentlichen Arbeitgebern einen Anspruch auf ein Vorstellungsgespräch, wenn sie die geforderten Qualifikationen erfüllen. Den schriftlichen Bewerbungsunterlagen ist eine Kopie des Schwerbehindertenausweises beizufügen.
Auch dies ist eine schwierige Frage, auf die es keine pauschale Antwort gibt. Viele Unternehmen sind überfordert, wenn sie bei einem Bewerbungsgespräch ohne Vorwarnung mit einer sichtbaren Behinderung konfrontiert werden. Das Verschweigen einer Behinderung kann zu einer Belastung des Vertrauensverhältnisses führen. Auf der anderen Seite besteht keine Verpflichtung zum Offenlegen der Behinderung, wenn diese nicht im Gegensatz zu den Anforderungen des Arbeitsplatzes steht.
Nach sechs Monaten, also nach dem Erwerb des Sonderkündigungsschutzes für Menschen mit Behinderung, ist die Frage des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung zulässig. Dazu gibt es ein höchstrichterliches Urteil (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 16.2.1012, 6 AZR 553/10). Als Begründung gibt das Gericht an, die Behinderten müssen ihm „ …ein rechtstreues Verhalten … ermöglichen …“. Damit meint es, dass der Arbeitgeber seinen gesetzlichen Pflichten etwa zur behindertengerechten Beschäftigung, zur Zahlung einer Ausgleichsabgabe oder zur Beteiligung des Integrationsamtes bei Kündigungen nur nachkommen kann, wenn er über bestehende Schwerbehinderungen informiert ist. Indirekt könnte man daraus ableiten, dass der Betroffene vielleicht auch informieren muss, auch wenn er nicht gefragt wird. Ein Urteil in dieser Richtung gibt es aber unseres Wissens nicht.
Seit dem 01.01.2017 gilt die gesetzliche Regelung, nach der eine Kündigung ohne Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung unwirksam ist. Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis kündigen will, das noch keine sechs Monate bestanden hat. Deshalb ist zu befürchten, dass die Gerichte das bislang offene Problem, ob auch in den ersten sechs Monaten ein Fragerecht des Arbeitgebers besteht, zu Ungunsten der Behinderten lösen werden. Rein formal gibt es aber unseres Wissens ein solches Urteil bisher nicht.