Kryokonservierung – eine weitere Erfolgsgeschichte – Bettinas Geschichte

20. März 2023 – Gastbeitrag

Ein Gastbeitrag von Bettina

Im Sommer 2014 wollten mein Mann und ich eine langersehnte Abenteuerreise auf die Azoren unternehmen. Wir hatten alles geplant, gebucht und organisiert. Unsere Vorfreude war riesig. Doch zwei Wochen davor ertastete ich eine Schwellung in meiner rechten Leiste.

„Nein, das darf nicht wahr sein!“

2003 hatte ich ebenfalls eine Schwellung an der rechten Seite meines Halses. Diagnose Morbus Hodgkin. Ich war damals 16 Jahre alt und meine größten Sorgen waren: „Was ziehe ich an? Mit wem treffe ich mich? Oder auf welche Party gehe ich am Wochenende?“ und nicht: „Muss ich sterben?“

Von jetzt auf gleich hatte sich mein Leben geändert. Doch ich hatte gekämpft und den Krebs besiegt.

Genau 11 Jahre später, mitten im Studium dann diese Schwellung in der Leiste.

Vorsichtshalber wurde der Lymphknoten entfernt. Die Diagnose „Es ist ein Rezidiv, Morbus Hodgkin“ erhielten wir lapidar von einem Ambulanzarzt kurz vor meinem 28. Geburtstag. Der Boden riss uns unter unseren Füßen weg. Mit den Worten „sie haben Krebs“ wurden mein Mann und ich nach Hause geschickt.

Eine Bekannte von uns ist Onkologin. Sie half uns alles zu veranlassen und zu organisieren. Diverse Untersuchungen später hieß es, schnell zu handeln, da ich nicht viel Zeit hatte. Ich hatte schon Metastasen und befand mich im fortgeschrittenen Stadium 3.

Zukunftsplanung unter Zeitdruck

Ich war Ende 20, mein Mann Mitte 30 und wir waren schon sechs Jahre ein Paar. Der Wunsch nach eigenen Kindern war zwar noch nicht präsent, aber für die Zukunft fest eingeplant und eigentlich selbstverständlich. Durch die anstehenden sechs Zyklen Hochdosis Chemotherapie (BEACOPP eskaliert) hatte meine Onkologin uns über zwei Möglichkeiten aufgeklärt, nach der überstandenen Therapie einen möglichen Kinderwunsch zu erfüllen. Die erste Möglichkeit ist das Einfrieren von Eizellen und die zweite das Einfrieren von Ovarialgewebe.

Die Methode der Eizellen war auch schon zu dieser Zeit eine recht zuversichtliche Maßnahme, um nach einer Unfruchtbarkeit durch die Chemotherapie wieder fruchtbar zu werden. Allerdings würde der Prozess der Eizellenreifung durch Hormontherapie und Entnahme mindestens zwei Wochen betragen. Fakt war, dass ich so viel Zeit nicht mehr hatte.

Die zweite Methode, das Entnehmen von Ovarialgewebe konnte sofort durchgeführt werden. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt diese Methode bzw. die Erfolgsquote wieder fruchtbar und die Chance schwanger zu werden, gering. Dennoch entschieden wir uns für diese Methode, da ich es nicht riskieren wollte, dass der Krebs sich weiter in meinem Körper ausbreitet.

Die Entnahme geschah unkompliziert in der Frauenuniklinik in Essen und die Chemotherapie konnte beginnen. Die Entnahme übernahm die Krankenkasse. Das Einfrieren, sowie die jahrelangen Lagerungskosten mussten wir übernehmen. Zu der Zeit war ich Studentin und mein Mann hatte einen neuen Job angefangen. Gespart wurde also nicht für einen ausgedehnten Urlaub, sondern für u.a. die Lagerungskosten und die geringe Chance in Zukunft wieder fruchtbar und schwanger zu werden.

Gestärkter Rücken in schweren Zeiten

Die Chemotherapie war sehr hart. Ich hatte katastrophale Blutwerte und war auf gespendetes Blut und Plasma angewiesen. Ich konnte an manchen Tagen nur auf allen Vieren das Bett verlassen. Dazu die Angst vor Nebenwirkungen oder einem Infekt, es nicht zu schaffen bzw. nach einem Infekt das Krankenhaus nicht lebend zu verlassen. Die körperlichen Schmerzen und Krämpfe, das Verlieren meiner schönen langen blonden Haare, mich nicht mehr als Frau zu fühlen, sondern nur als Todkranke.

Umso wichtiger war die Unterstützung meines Mannes, unserer Familie und Freunde. Sie haben mir den Rücken gestärkt, mit mir gelacht und geweint und sind nie von meiner Seite gewichen. Besonders in so einer Zeit wird einem wohl oder übel bewusst, auf wen man sich verlassen kann und wer einen im Stich lässt, bzw. nicht stark genug ist. Wenn es selbst Teile der eigenen Familie sind, trifft es einen ganz schön hart.

Aber, ich habe es nach heftigen fünf Monaten geschafft und am 29. Januar 2015 war ich krebsfrei. Doch krebsfrei heißt nicht gleich gesund und munter. Im Gegenteil, ich brauchte knapp ein Jahr, um wieder körperlich fit zu werden. Meine Blutwerte haben sich bis heute nicht richtig erholt, abgesehen von den bleibenden Schäden, wie Vergesslichkeit, Wortfindungsstörungen oder verminderte Konzentrationsfähigkeit, durch das sogenannte „Chemobrain“, sowie die Krämpfe in den Beinen oder die Gelenksteifigkeit. Nicht zu vergessen ist die Unfruchtbarkeit und das Eintreten der Wechseljahre mit erst 28 Jahren.

Mir wurde nach drei Jahren meiner Diagnose gesagt, ich hätte einen so kleinen Uterus, wie bei einer Fünfjährigen. Daraufhin bekam ich dann erst hormonelle Unterstützung, um die Symptome meiner Wechseljahre zu mindern und einen unnatürlichen regelmäßigen Zyklus zu erzielen. Zudem war der Wunsch nach einem Kind noch nicht so präsent, da ich lange Zeit brauchte, um mich zu regenerieren und alles zu verarbeiten. Dazu hatte ich direkt damit begonnen mein Studium erfolgreich zu beenden und mit Leidenschaft als Heilpädagogin einer beruflichen Karriere nachzugehen.

Ein kleines Wunder

Vor nicht ganz zwei Jahren hatten wir dann den latenten Wunsch nach einem Kind. So fingen die Untersuchungen und Behandlungen im Kinderwunschzentrum an. Nach einiger Zeit und hormoneller Unterstützung war jedoch schnell klar, dass ich mir das eingefrorene Ovarialgewebe zurück transplantieren musste, da ich nach wie vor durch meine Unfruchtbarkeit keine andere Chance hatte schwanger zu werden.

Daraufhin wurde mir, der in diesem Bereich erfahrene, Herr Prof. Dr. Krüssel aus dem Unikid in Düsseldorf empfohlen. Dieser hatte mich behandelt und im Dezember 2021 wurde mir, nachdem das Ovarialgewebe aufgetaut und untersucht wurde, aufgrund der geringen Dichte das komplette Gewebe erfolgreich zurück transplantiert. Ich habe also nur diese eine Chance schwanger zu werden, umso ungeduldiger und unsicherer war ich, ob dieser Eingriff gelungen ist.

Doch nur ein halbes Jahr später wurde ich schwanger. Ich wurde lediglich hormonell unterstützt und eine künstliche Befruchtung blieb uns erspart. Für uns ist es ein Wunder. Bis vor eineinhalb Jahren war ich noch unfruchtbar und nun ist unser Sohn schon 14 Tage alt und gesund. Nach wie vor können wir unser Glück immer noch nicht fassen und sind sehr stolz auf unsere eigene Familie.

Aus diesem Grund möchte ich allen Krebspatient:innen mit einem Kinderwunsch, mit meiner Geschichte Hoffnung geben, durchzuhalten und nicht aufzugeben.

Dazu habe ich noch einige lohnenswerte Tipps. Wendet euch an Ärzte, die solch speziellen Eingriffe durchführen und schon in diesem Bereich Erfahrungen gesammelt haben. Deutschlandweit sind es nicht viele. Meine Empfehlung ist das Unikid in Düsseldorf bei Prof. Dr. Krüssel. Er ist, meiner Meinung nach, nicht nur eine Koryphäe, sondern auch ein sehr empathischer Arzt auf Augenhöhe.

Tauscht euch im Social Media Bereich in verschiedenen Foren mit Gleichgesinnten aus. Für mich war es sehr hilfreich.

Den Stein ins Rollen bringen – Kostenübernahme

Und natürlich entstehen weitere Kosten, die die Krankenkassen noch nicht zahlen. Der Transport in die Wunschklinik, das Auftauen und die Diagnostik, sowie die Voruntersuchungen und die OP sind aktuell noch Eigenleistungen. Wir sprechen hier von Kosten von über 2000 Euro. Ich habe dennoch die Rechnungen bei der Krankenkasse eingereicht und nach Ablehnung und Widerspruch vor dem Sozialgericht geklagt. Nach langem schriftlichem Verkehr, sowie einer Vorladung, wurde wegen Undurchsichtigkeit und Missverständnissen die Klage vorerst pausiert.

Im Zuge dessen, wurde aber eine Einzelfallentscheidung getroffen und die Krankenkasse hat die kompletten Kosten übernommen. Ich habe somit den Stein ins Rollen gebracht, auch wenn es ein langer und nerviger Weg war. Aber es hat sich gelohnt dafür zu kämpfen, auch wenn es letztendlich „nur“ eine Einzelfallentscheidung war.

Daher möchte ich euch alle ermutigen ebenfalls diesen Weg einzuschlagen und bis vor das Gericht zu ziehen. Wer weiß, vielleicht entsteht in naher Zukunft aus vielen Einzelfällen eine generelle Kostenübernahme der Krankenkassen. Schließlich haben wir das Recht, wie alle anderen gesunden Personen eine Familie zu gründen.