Nachteilsausgleiche für Studierende; Schwerbehinderung
Studierende mit Krebserkrankung können einen Schwerbehindertenausweis beantragen.
Eine Übersicht zum Schwerbehindertenausweis findet man auf unseren Info-Seiten.
Die Info-Seite zur Beantragung eines Schwerbehindertenausweises findet man hier.
Ob allerdings ein Antrag auf Schwerbehindertenausweis sinnvoll ist, ist abhängig von der Situation, in der man sich befindet und davon, was man mit dem Schwerbehindertenausweis darin erreichen kann. Sie kann nicht global mit ja oder nein beantwortet werden. So sind für viele Nachteilsausgleiche bei Studenten ärztliche Atteste notwendig, die die eine oder andere Problematik bescheinigen. Der Schwerbehindertenausweis öffnet hier nicht automatisch die Tür.
Nach meiner Erfahrung aus der Beratung haben nur wenige Studierende einen Schwerbehindertenausweis. Viele Nachteilsausgleiche bekommt man auch ohne Ausweis, aber geeignete medizinische Nachweise sind notwendig. Ein Feststellungsbescheid über einen GdB allein reicht nur in wenigen Fällen aus, denn der beeinträchtigungsbedingte Nachteil kann nicht immer eindeutig damit nachgewiesen werden. Es kommt auf die Art der Behinderung an. Dafür das ärztliche Attest. In manchen Fällen mag der Ausweis aber dennoch hilfreich sein.
Katrin, 35 Jahre*, Beauftragte für Studierende mit Behinderung und chronischen Erkrankungen, Brustkrebs BRCA1
Für Studierende mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung sind eine Reihe von Erleichterungen oder Anpassungen im Sinne eines Nachteilsausgleichs möglich, z. B.:
- Befreiung von Anwesenheitspflichten
- Urlaubssemester
- Berücksichtigung behinderungsbedingter Einschränkungen u. a. bei der Belegung von Kursräumen.
- ”Modifizierende Maßnahmen” für Modulabschlussprüfungen. Beispiele: Schreibzeitverlängerung 20% bei Klausuren, längere Bearbeitungszeiten für Hausarbeiten.
- „Äquivalenzleistungen“ in Bezug auf Prüfungen. Beispiel: mündliche Prüfung statt schriftlicher Prüfung.
- Nutzung von technischen Hilfsmitteln bei Prüfungen (Absolvieren von Prüfungen am Computer)
- Verfassen von Prüfungen in einem separaten Raum unter Aufsicht
- Änderung der Prüfungsart (z. B. Umwandlung von schriftlicher Prüfung in mündliche Prüfung) – für Änderung der Prüfungsform fachspezifische Studien- und Prüfungsordnung checken! → Äquivalenzleistungen nur möglich, wo Studienordnung und Prüfungsordnung es zulassen
- abweichende Regelungen zu Fristen, z. B. Regelstudienzeit, individueller Studienverlaufsplan
- bevorzugte Zuteilung eines (ggbf. barrierefreien) Wohnheimplatzes
- Beim BAföG kann ein Antrag auf Verschiebung der Altersgrenze gestellt werden. Dadurch wird eine Verlängerung des Studiums sowie ein Bezug von BAföG über die Regelstudienzeit hinaus ermöglicht.
- Bevorzugte Platzvergabe bei zulassungsbeschränkten Lehrveranstaltungen
- Bei speziellen finanziellen Rahmenbedingungen: Ermäßigung des Semesterbeitrags. Dies kann jedoch abhängig sein von den Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis (z. B. kein Semesterticket erforderlich bei anerkannter Gehbehinderung (Merkmal “G”) und kostenloser Beförderung im öffentlichen Nahverkehr).
- Die Eltern Studierender mit Behinderung können Kindergeld über das 25. Lebensjahr hinaus beziehen, ohne dass eine Anrechnung auf das BAföG erfolgt.
- höhere Stipendiumsrate bei einem Studienaufenthalt im Ausland mit Erasmus+
Für die meisten dieser Nachteilsausgleiche (bis auf die beiden letzten) ist ein Schwerbehindertenausweis nicht wesentlich. Entscheidend ist ein entsprechendes ärztliches Attest. Hinweise der Humboldt-Universität Berlin für Atteste findet man hier.
Nicht jeder Nachteil kann ausgeglichen werden, aber vieles ist möglich. Die Bandbreite an Nachteilsausgleichen für Studierende mit Beeinträchtigungen ist groß. Manchmal genügen schon kleine Modifikationen einer konkreten Situation, um Barrieren zu senken oder gar verschwinden zu lassen.
Die Entscheidung über einen Nachteilsausgleich liegt beim Prüfungsausschuss. Alle Beteiligten müssen
- die Prüfungsordnung
- die Prüfungsanforderungen (Qualifikationsziel/e)
- die Grunderkrankung sowie
- die aktuelle gesundheitliche Situation
berücksichtigen.
Der bewilligte Ausgleich muss auf der gleichen Ebene stattfinden – Ausschluss der Besserstellung! (also die Kommilitonen dürfen durch einen bewilligten Nachteilsausgleich nicht benachteiligt werden).
Bei Nachteilsausgleichen handelt es sich um Einzelfallentscheidungen. Eine wichtige Rolle spielen:
- die jeweiligen Bedingungen am Studienort
- die jeweiligen Anforderungen an das Studienfach, inklusive der Prüfungsbedingungen
- Begründungs- und Nachweispflicht der Studierenden
→ Antrag + Begründung + medizinisch geeignete bzw. geforderte Nachweise
→ der Antrag muss konkret, geeignet und angemessen formuliert sein.
Zunächst sollte man sich von den zuständigen Ärzten aussagekräftige Unterlagen (Entlassungsberichte / fachärztliche Gutachten / pathologisch-anatomische Befunde etc.) aushändigen lassen. Sehr sinnvoll ist ein zusätzliches Schreiben (Attest), aus dem für einen medizinischen Laien nachvollziehbare Aussagen über die studienerschwerenden Beeinträchtigungen dargelegt werden.
Gegebenenfalls sollte man den Schwerbehindertenausweis (Vorder- und Rückseite mit Merkzeichen) in Verbindung mit dem Feststellungsbescheid des Versorgungsamtes sowie ggbf. den Bescheid über die Einstufung in eine Pflegestufe mitnehmen.
Mit diesen Unterlagen wendet man sich dann an das zuständige Prüfungsbüro- oder -amt des Instituts oder der Fakultät der Universität und/oder das Studentenwerk bzw. die Studienberatung. Gemeinsam mit den zuständigen Professoren, der Universitätsleitung wird es in den meisten Fällen gelingen, eine individuelle Lösung zu finden.
Teilweise gibt es auch strukturierte Hilfsprogramme für betroffene Studierende, abhängig von der jeweiligen Hochschule. Nähere Informationen hierzu gibt das zuständige Dekanat bzw. die Studienberatung.
Es ist aber auch eine blöde Situation. Die Ärzte haben ständig keine Zeit und wissen oft nicht einmal, wozu der Schwerbehindertenausweis und was in den zum Antrag geforderten ärztlichen Bericht reingehört. Schreib dir auf einen Zettel, wofür du den ärztlichen Bericht brauchst und was die Schwierigkeit ist. Daran kann man sich im Gespräch festhalten und es dem Arzt oder der Ärztin dann auch als Gedächtnisstütze geben.
Es ist es besonders wichtig, sich in die Sachbearbeiter vom Lageso hineinzuversetzen, die deinen Fall am Ende einschätzen sollen und mit großer Wahrscheinlichkeit weder Erfahrung mit deiner Situation haben, noch medizinische Fachsprache verstehen. Mach deinem Arzt bzw. deiner Ärztin also klar, dass der Bericht für jeden x-beliebigen Menschen auf der Straße verständlich sein muss, inwiefern dich deine Krebserkrankung und -behandlung, egal ob abgeschlossen oder nicht, langfristig beeinträchtigen wird. Oft hat man sich über die Monate bis Jahre schon so an seine Situation gewöhnt, dass einem Einschränkungen im alltäglichen Leben gar nicht mehr so signifikant vorkommen, wie noch zu Beginn. An dieser Stelle kann es helfen, sich mit anderen Betroffenen, Freunden oder Familie darüber auszutauschen, an welchen Stellen man es schwerer hat. Auch wenn es schwer fällt ist es wichtig bei der Erstellung des ärztlichen Berichts für den Schwerbehindertenausweis keine Probleme klein zu reden.
Mach Dir klar, dass Du ein Recht auf Unterlagen und ein Attest hast. Es ist eine Leistung wie jede andere, z. B. ein Rezept.
Marie, 18 Jahre*, Studentin, Non-Hodgkin-Lymphom
Ausführliche Informationen zum Thema Nachteilsausgleich für Studierende:
- Nachteilsausgleich für Studierende mit Beeinträchtigungen, Arbeitshilfe für Beratende, Dr. Maike Gatterman-Kaspar, Deutsches Studentenwerk (Hrsg), S.24 ff, 2019
- Handbuch “Studium und Behinderung” des Deutschen Studentenwerks, Kapitel VI Nachteilsausgleiche im Studium und in Prüfungen
- Nachteilsausgleich speziell im Studium
- Einfach Teilhaben – Wegweiser zum Leben mit Behinderung vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS