„Da wo ich bin, bin ich gerne“ – Lauras Geschichte

18. März 2022 – Gastbeitrag

Ein Gastbeitrag von Laura

Die Diagnose Darmkrebs bekam ich, als ich 27 Jahre alt war. Dem Ganzen vorausgegangen waren eine Tumor-OP, eine Fehldiagnose und schließlich eine Untersuchungswoche in einer Uni-Klinik, an deren Ende die richtige Diagnose feststand. Rückblickend hatte ich schon länger Probleme mit der Verdauung gehabt und hatte mich schlapp gefühlt. Damals habe ich das auf den Stress geschoben oder auf Unverträglichkeiten, die ich nicht richtig zuordnen konnte. Nachdem mir erst mitgeteilt wurde, dass ich keine bösartige Erkrankung habe, stand nach einer Bauchspiegelung doch im Raum, dass es Krebs sein könnte. So hatte ich Zeit, mich an den Gedanken zu gewöhnen. Trotzdem war es ein Schock für mich, als ich verstand, dass der Krebs metastasiert hatte und die Überlebenschancen statistisch gesehen eher gering waren. Die ersten Tage fühlte ich mich wie im falschen Film und dachte, als ich Freunden vom Krebs erzählte, was rede ich da für einen Stuss? Es fühlte sich an wie die Geschichte von jemand anderem.

Dann gewöhnte ich mich an das neue Normal und aus dem zwischendurch eingekehrten Gefühl, mit meinem Leben abgeschlossen zu haben, wurde der Plan, kurativ zu behandeln. Ich dachte mir, es war unwahrscheinlich, dass ich als junger Mensch an Darmkrebs erkranke, also kann ich entgegen aller Wahrscheinlichkeit nach auch wieder gesund werden. Die Chemotherapie schlug bei mir an und es folgte die OP, in der alle Tumore entfernt werden sollten. Entgegen der Erwartung der Ärzt:innen verlief die OP sehr gut, was meine innere „Wahrscheinlichkeits-Theorie“ bekräftigte.

Der Krebs hat mein Leben verändert, aber nicht so, wie ich dachte. Als die Diagnose kam, dachte ich, das ist der große Knall, der mein Leben verändert – jetzt weiß ich, was ich mit meinem Leben machen will, ich kann den Job und den Wohnort wechseln und fange etwas ganz Neues an. Dabei schwebten mir Berichte anderer Leute vor Augen, denen so ein Einschnitt ins Leben die Augen für etwas komplett Neues geöffnet hatte.

Aber ich lebe noch da, wo ich zum Zeitpunkt der Diagnose gewohnt habe, ich arbeite in meinem alten Beruf und mein Freundeskreis hat sich auch nicht wirklich verändert – höchstens ergänzt durch neue Freunde und Freundinnen, die ich in der Reha kennengelernt habe. Und trotzdem finde ich das ziemlich gut so. Mir ist bewusst geworden, dass ich die Dinge, die ich ändern wollte, im Grunde ziemlich gut finde und dass ich da, wo ich bin, gerne bin. Nur ich selbst habe mich verändert, ich habe mich besser kennengelernt und bin selbstbewusster geworden – und darüber bin ich sehr froh.

Obwohl das Grundgerüst an Behandlung gut lief, weiß ich, dass es mir während der Chemo und nach den OPs teilweise richtig bescheiden ging. Durch die Medikamente wurde die Verdauung lahmgelegt, meine Haut sah aus und fühlte sich an, als wäre ich einige Jahrzehnte älter und mein Hormonhaushalt war die reinste Achterbahn. In den schlimmsten Zeiten war ich am liebsten alleine. Wenn ich dachte, es geht nicht mehr weiter bzw. ich kann nicht mehr, war mir mein Glaube der größte Halt. Ich wusste mich in allem irgendwie getragen und hatte manchmal richtig Vorfreude auf den Himmel. Das war mir für den Fall, dass die Therapien nicht fruchten würden, richtig tröstlich.

Durch meine Familie und Freunde hatte ich super Unterstützung und wusste, dass viele in meinem Umfeld für mich und meine Genesung beten. Trotzdem wusste ich, dass es keine Garantie gibt, gesund zu werden. Manchmal war es keine leichte Balance für mich, wenn jede/r zu erwarten scheint, dass man gesund werden muss, man es aber nicht in der Hand hat. Ich fand es wichtig, mich mit dem möglichen Ende der Geschichte zu beschäftigen, das nicht das angestrebte war und hatte auch damit meistens meinen Frieden.

Trotz aller körperlichen Schwierigkeiten entdeckte ich unglaublich viel Schönes in meiner Krankheitszeit. Dankbar war ich dafür, zwischen den Behandlungen meistens fit zu sein und meine Vormittage mit Spaziergängen in der Natur verbringen zu können. Ich freute mich über meine gute Wundheilung, über die Taxifahrer:innen, die mich zur Chemotherapie brachten und die Arzthelfer:innen, die meinen neuen Alltag bereicherten. Ich nutzte die Zeit fern von der Arbeit, mich mit mir selbst zu beschäftigen und an manchen Dingen zu wachsen.

Als die ersten Chemotherapien noch im Krankenhaus stattfanden, freute ich mich über die frühmorgendlichen Fahrten in die Klinik, wenn gerade die Sonne aufging und man neben der Autobahn die Rehe sehen konnte. Dankbar und traurig bin ich über die Freundschaften, die ich mit Zimmernachbarinnen schließen konnte und von denen manche durch den Krebs so früh beendet wurden. So viel Wertvolles die Krankheitszeit mit sich gebracht hat, so unfair sind der Krebs und das Leiden.

Inzwischen ist der Hauptkern meiner Erkrankung vorbei und ich gehe regelmäßig zur Nachsorge. Kürzlich ist eine neue Metastase aufgetaucht, die Gott sei Dank gut entfernt werden konnte. Ich bin froh, dass es mir aktuell sehr gut geht und bin gespannt, wie es weitergeht. Dabei glaube ich: egal wie es wird, es wird gut.