Berlin, 20. August 2018 – Das Bundesgesundheitsministerium unter Führung von Jens Spahn hat am 24. Juli 2018 im Rahmen des Gesetzespakets „Terminservice- und Versorgungsgesetz – TSVG“ (AZ 221 – 20020) einen Referentenentwurf vorgelegt, mit dem die Finanzierung der Fruchtbarkeitserhaltung für junge Krebspatienten durch die Krankenkassen gesichert werden soll. Am kommenden Mittwoch, den 22. August findet die Anhörung der Verbände zu dem Referentenentwurf statt. „Jens Spahn hat Wort gehalten und das Gesetz auf den Weg gebracht. Das freut mich sehr. Aber der Referentenentwurf muss verbessert werden. Wir Betroffene erwarten eine klare und verständliche Regelung, die keine Einschränkungen durch Auslegung zulässt. Dafür haben
wir in der Vergangenheit zu bittere Erfahrungen gemacht“, erklärt Claudia Neumann, betroffene junge Krebspatientin, die sich in der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs engagiert. Für ihr Engagement wurde sie in diesem Jahr von der FELIX BURDA STIFTUNG mit dem „Ehrenfelix“ ausgezeichnet.
Rund 16.000 Jugendliche und junge Erwachsene zwischen elf und 39 Jahren erkranken jedes Jahr in Deutschland an Krebs. Etwa 80 Prozent von ihnen können geheilt werden. Doch der Preis für diesen Fortschritt ist erheblich. Viele Betroffene müssen neben Operationen intensive medikamentöse Therapien, oft in Kombination mit Bestrahlung, über sich ergehen lassen. Viele Chemotherapien und die Strahlentherapie gefährden die Fruchtbarkeit oder vernichten sie vollständig. Doch die Betroffenen wünschen sich ein normales Leben nach der Erkrankung, und dazu gehört auch eine Familie mit eigenen Kindern.
Glücklicherweise gibt es gut abgesicherte Methoden, um Spermien, Eizellen oder Keimgewebe zu gewinnen und für eine spätere künstliche Befruchtung zu nutzen oder im Fall des Eierstockgewebes damit sogar die natürliche Fruchtbarkeit wiederherzustellen. „Die Maßnahmen für die Fruchtbarkeitserhaltung müssen aber in dem kurzen Zeitraum zwischen Diagnose und Therapiebeginn durchgeführt werden“, sagt Prof. Dr. med. Diana Lüftner, Onkologin und Vorstand der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs. Sie fährt fort: „Bisher müssen die Patienten in der Zeit, in der sie durch die Diagnose aus all ihren Plänen, Hoffnungen und Lebensträumen gerissen werden, auch noch die Geldmittel für die Finanzierung der Fruchtbarkeitserhaltung beschaffen. Das ist eine völlig unzumutbare Härte“.
Zwischen 3.500 und 4.300 Euro betragen die Kosten für junge Frauen, um die 500 Euro für junge Männer. Dazu kommen Lagerungskosten von 300 Euro pro Jahr. „Oft wird daher auf die Fruchtbarkeitserhaltung verzichtet, obwohl die Fachgesellschaften das zum Standard erhoben haben“, so Lüftner weiter. „Aber jetzt ist eine Wende in Sicht.“
„Das ist gut, aber der Referentenentwurf muss verbessert werden“, ergänzt Neumann. „In der Vergangenheit ist vor den Sozialgerichten vielfach erbittert um Kleinigkeiten gestritten worden. Es muss verständlich und klar definiert sein, dass wirklich alles in der Finanzierung enthalten ist. Und es muss im Gesetz klargestellt werden, dass die harten Einschränkungen im Absatz 1 des § 27a SGB V hierfür nicht gelten. In diesem Paragraphen soll die Regelung nämlich eingefügt werden. Wir Betroffene wollen, dass ein Schlussstrich unter jede mögliche Streiterei gesetzt wird. Der Kampf ums Überleben darf nicht aus dem Fokus geraten.“
„Ein weiterer Punkt macht uns noch Sorgen“, erklärt Lüftner. „Wir haben auch einige ganz wenige Patienten, die keinen Krebs haben und die dennoch eine Behandlung mit fruchtbarkeitsschädigender Chemotherapie benötigen. Wie sollen wir ihnen erklären, dass die Fruchtbarkeitserhaltung bei ihnen nicht bezahlt wird, bei Krebspatienten jedoch schon. Stellen Sie sich vor: Beide sitzen im selben Wartezimmer!“
Die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs hat daher auch diesen Punkt in einen konkreten Änderungsvorschlag für den Referentenentwurf aufgenommen. Der bisherige Referentenentwurf sieht vor, dass in den § 27a des SGB V der folgende Absatz (4) aufgenommen wird:
(4) Versicherte haben Anspruch auf Kryokonservierung von Ei- oder Samenzellen oder von Keimzellgewebe und die dazugehörigen medizinischen Maßnahmen, wenn diese wegen einer Krebserkrankung im Hinblick auf eine Maßnahme der künstlichen Befruchtung nach Absatz 1 medizinisch notwendig sind.
Die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs schlägt vor:
(4) Versicherte haben Anspruch auf Kryokonservierung einschließlich vorhergehender Aufbereitung und nachfolgender Lagerung von Ei- oder Samenzellen oder von Keimzellgewebe und die dazugehörigen medizinischen Maßnahmen einschließlich hormoneller Stimulation, wenn diese wegen einer Krebserkrankung oder einer keimzellschädigenden Therapie im Hinblick auf eine Maßnahme der künstlichen Befruchtung nach Absatz 1 oder eine Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit nach § 27 Absatz 1 Satz 5 medizinisch notwendig sind. Absatz 1 Ziffer 2 bis 5 finden auf die Bestimmungen des Abs. (4) keine Anwendung.
Die Stiftung hat eine Stellungnahme zum Referentenentwurf verfasst und dem Gesundheitsministerium vorlegt. Stellungnahme und Änderungsvorschlag werden vom Paritätischen Wohlfahrtsverband und zahlreichen Patienten- und Elternvertretungen unterstützt.
Die Stellungnahme der Stiftung ist abrufbar unter: https://www.junge-erwachsene-mit-krebs.de/files/tsvg-stellungnahme_der_dsfjemk.pdf
Link zum Referentenentwurf des BMG: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/T/TSVG_RefE.pdf
„Wir sind von dieser Welle der Unterstützung überwältigt und bedanken uns bei all diesen Organisationen ganz herzlich“, sagt Prof. Dr. med. Mathias Freund, Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung. „Frau Claudia Neumann und Frau Professorin Diana Lüftner werden die Stiftung bei der Anhörung am 22. August 2018 vertreten. Wir hoffen inständig, dass die Sache einen weiteren guten Verlauf nimmt. Wir kämpfen seit Jahren dafür!“
Die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs ist Ansprechpartnerin für Patienten, Angehörige, Wissenschaftler, Unterstützer und die Öffentlichkeit. Die Stiftungsprojekte werden in enger Zusammenarbeit mit den jungen Patienten, Fachärzten sowie anderen Experten entwickelt und bieten direkte und kompetente Unterstützung für die Betroffenen. Die bundesweit tätige Stiftung ist am 14. Juli 2014 von der DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e. V. gegründet worden.
Die Stiftungsarbeit ist als gemeinnützig anerkannt und wird ausschließlich durch Spenden finanziert. Wir bitten um Ihre Spende.
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