Eine seltene Diagnose: Nebennierenrindenkarzinom – Tatjanas Geschichte

10. Juni 2023 – Gastbeitrag

Ein Gastbeitrag von Tatjana

Ich bin Tatjana, 33 Jahre alt und kam 2016 von Serbien nach Deutschland-Berlin. Ich habe als Krankenschwester für tracheotomierte Patient:innen gearbeitet. Meinen Job habe ich mit Herz und Seele gemacht.

Ich bin ein Mensch, dem eine Sache nie genug ist. Ich wollte mich stets weiterentwickeln und habe sowohl die deutsche Sprache gelernt, als mich auch beruflich immer weiterentwickelt und viele Fort- und Weiterbildungen besucht.

Der Weg zur Diagnose

Mein Körper hat fast ein Jahr vor Diagnosestellung immer wieder Signale gesendet. Oft hatte ich im oberen rechten Bauch Schmerzen, teilweise strahlten diese bis in den Rücken aus. Ich musste mich immer häufiger übergeben, zum Schluss an 6 von 7 Tagen die Woche. Ich habe zugenommen und Striae (Dehnungsstreifen) am Bauch bekommen. Das hat mir gesagt, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist.

In dieser Zeit war ich auch oft bei meinem Arzt. Dieser sagte mir immer wieder, dass es eine Nierenbeckenentzündung sei. „Hmm?“ Alle 2 Monate für jemanden der auf seinen Lebensstil geachtet hat?

Mir wurde in der folgenden Zeit immer wieder Antibiotika verschrieben. Danach ging es mir zwar besser, dies hielt aber leider nur kurz.

Im Juli letzten Jahres wollte ich mich vor meiner Reise nach Serbien noch einmal durchchecken lassen. Diesmal entschied ich mich aber, zu dem Hausarzt meines Freundes zu gehen. Nach dem Erklären der Symptomatik und dem bisherigen Vorgehen, entschied er sich, mich sofort zur Abklärung ins Krankenhaus zu schicken, um Nierensteine auszuschließen.

Dort angekommen, erhielt ich eine Infusion. Die Ärzte dachten ebenfalls, dass es „nur“ eine Nierenbeckenentzündung sein würde. Nierensteine schlossen sie zwar schnell aus, schickten mich aber trotzdem mit Widerwillen zum CT. Das Ergebnis war schnell da. Die Ärztin kam und sagte mir „Sie haben eine große „Raumforderung“ im rechten Nieren-Leber Bereich. Sie sollten zu ihrem Hausarzt gehen. Ich wünsche Ihnen alles Gute und hoffe es ist nicht bösartig.“ und verließ den Raum.

Gesagt, getan. Direkt im Anschluss bin ich wieder zu dem Hausarzt meines Freundes gefahren. Da es zu Corona Zeit war, und man in die Praxis eigentlich nur mit Termin durfte, nahm die Schwester den Befund und ging zum Arzt rein. Ich hörte Ihn schon aus dem Zimmer raus rufen, dass ich kommen soll. Mir liefen in diesem Moment bereits die Tränen. Er versuchte mir Hoffnung zu geben und sagte, dass es noch nicht feststeht, ob es gutartig oder bösartig ist. Ich war mit den Gedanken aber bereits ganz wo anders.

Wie sollte ich es meiner Mutter sagen? Sie war erst zu Besuch in Deutschland. Muss ich es ihr am Telefon sagen? Ich bin ihr einziges Kind. Meinen Vater, also ihren Mann, hatte sie leider auch schon verloren.

Dennoch hatte ich Glück im Unglück. Eine Bekannte des Arztes ist Endokrinologin. Er rief sie sofort an, schickte ihr die Unterlagen zu, sodass ich bereits zwei Tage später bei ihr einen Termin hatte.
Diese machte dann weitere Tests und Untersuchungen, um zu schauen, ob wir es mit einem bösartigen oder gutartigen Tumor zu tun haben. Zu diesem Zeitpunkt haben sie noch geglaubt, dass es sich um einen gutartigen Tumor halten würde. Neben den ganzen Tests und Untersuchungen hatte ich zeitgleich schon einen Termin zum Vorgespräch zur Operation.

Zehn Tage nach Diagnosestellung lag ich bereits auf dem OP-Tisch. Während der Operation haben sie gesehen, dass ich bereits Metastasen im Zwerchfell, an der Vene und im Lymphknoten hatte. Der Haupttumor hatte eine Größe von 12 cm.

Aufgewacht bin ich auf der Intensivstation. Der Chirurg teilte mir mit, dass sie meinen Bauch komplett aufschneiden mussten und, dass es Komplikationen während der Operation gab, und sie um mein Leben kämpfen mussten.

Unter der Gabe von Morphin, über eine Schmerzpumpe, versuchte ich bereits meine ersten Schritte zu gehen. Die Schmerzen waren kaum zu ertragen, aber aufgeben ist und war keine Option. Der pathologische Befund kam relativ schnell. Diagnose: „Nebennierenrindenkarzinom“, ein sehr seltener Tumor.

Da die einzigen Zytostatika, die es für meine Krebsart gibt, mit erhöhten Leberwerten reagierten, wurde ich von einem Krankenhaus ins nächste überwiesen Die Therapie musste abgebrochen werden. Dann wurde nochmal ein kompletter Check von Kopf bis Fuß durchgeführt. Dabei haben sie leider drei weitere Metastasen entdeckt. Es stand nicht fest, ob sie in der kurzen Zeit gewachsen sind, oder ob diese bei der Operation nicht gesehen wurden.

Familienplanung oder Therapiebeginn

Zu diesem Zeitpunkt wurde dann bereits auch die Portanlage geplant und umgesetzt. Nach 24 Stunden haben sie mit der IV Chemotherapie begonnen. In der Zeit zwischen Portanlage und Chemotherapie musste ich eine wichtige Entscheidung treffen. Was ist mit dem Thema Kinderwunsch? Ich bzw. wir wollten immer Kinder haben. Aber die Eizellen Entnahme würde weitere Zeit kosten. Nicht ein paar Tage, sondern einen Monat. Habe ich diese Zeit? Wachsen in dieser Zeit vielleicht die Metastasen? Ich habe allein die Entscheidung getroffen, mit der Chemotherapie zu beginnen, mit der Gefahr hin, dass ich so wahrscheinlich nie eigene Kinder haben werde. Obwohl dies einer der größten Träume für mich war und ist.

Mittlerweile bin ich fast ein Jahr in Behandlung. Ich bin fünf Tage im Krankenhaus, drei Wochen zu Hause und dann wieder für fünf Tage im Krankenhaus zur EDP-Chemo. Der erneute Versuch auf Zytostatika ist gelungen. Ich nehme die Tabletten nun 3-3-3-0 ein.

Vor einem Monat beim Staging der Schock. Auf den CT-Bildern der Lunge waren unklare „Flecken“ zu sehen. Vermutung auf neue Metastasen. Es könnten aber auch Sekretanlagerungen von der Erkältung sein, die ich drei Wochen zuvor hatte. Zudem sind innerhalb von zwei Monaten die Metastasen wieder um ca. 2 mm gewachsen, sodass die EDP-Chemo wieder gestartet wurde. Dies allerdings nur auf 50 %, da ich Polyneuropathien als Nebenwirkungen habe. Dies betrifft mittlerweile die Arme und Beine. Zudem ist die Schilddrüse aufgrund der ganzen Chemo ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen worden. Es hat sich eine Unterfunktion eingeschlichen.

Ein Monat der Ungewissheit ist nun vergangen. Keine neuen Metastasen. Dennoch weiterhin EDP-Chemotherapie. Nun gibt die Überlegung die drei Metastasen operativ zu entfernen. Dies wird aktuell in der Tumorkonferenz thematisiert.

Perspektivwechsel

Glücklicherweise hatte ich in der ganzen Zeit immer meine Familie und Freunde im Hintergrund, die mich unterstützt haben. Gerade in den schwierigen Zeiten, z.B. bei Diagnosestellung oder als mir zum zweiten Mal die Haare ausgefallen sind und ich sie mir abrasiert habe.

Aufgrund meiner Erkrankung und der Behandlung kann ich meinen Traumjob nicht mehr ausüben. Ich bin nun selbst Patientin. Mit dieser Umstellung musste ich erst mal klarkommen.

Dennoch habe ich durch das komplette medizinische und therapeutische Team und natürlich meine Freunde und Familie die Trauer und Wut in Mut und Hoffnung umwandeln können. So kann ich weiterhin positiv und mit Freude in die Zukunft blicken. DANKE dafür!