Berlin, 20. Juli 2022. Im Mai 2019 wurde die Fruchtbarkeitserhaltung vor keimzellschädigender Therapie durch den Gesetzgeber zur Kassenleistung. Für die Realisierung dieses Anspruchs wurde eine Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) notwendig. Jetzt steht in dessen Plenum als vorläufig letzter Schritt die Entscheidung über die Kryokonservierung von Eierstockgewebe zur Fruchtbarkeitserhaltung an.
Fruchtbarkeitserhaltung für junge Krebspatient:innen: Ein langer und steiniger Weg.
Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern war in Deutschland die Fruchtbarkeitserhaltung vor einer keimzellschädigenden Therapie bis 2019 keine Kassenleistung. In der Mehrzahl sind junge Menschen mit Krebs betroffen, die bis dahin die notwendigen medizinischen Maßnahmen selbst finanzieren mussten. Eine schwere Belastung in einer ohnehin kaum vorstellbaren Krisensituation. Mit der Änderung des § 27a SGB V hatte der Gesetzgeber im Mai 2019 hier eine erfreuliche Änderung vorgenommen. Dies geschah auch durch die Initiative der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs.
In der Praxis ist der Anspruch auf Konservierung von Eizellen und Spermien am 1.7.2021 nach dem ersten Teil der G-BA-Richtlinie und mit der Formulierung der Abrechnungsziffern realisiert worden – mehr als 2 Jahre nach dem Gesetz.
Die Kryokonservierung von Eierstockgewebe ist für einen Teil der jungen Frauen mit Krebs eine hervorragende Methode zur Fruchtbarkeitserhaltung. Mit Wiedereinsetzung des konservierten Gewebes kann der natürliche Zyklus wiederhergestellt werden und es ist eine Empfängnis auf natürliche Weise möglich. Das Verfahren ist führend in Deutschland entwickelt worden. Es wird aber bisher von den Krankenkassen nicht finanziert.
Welche Entscheidungen stehen jetzt an?
Ein Entwurf für eine Richtlinienänderung wurde am 27.1.2022 in einer Anhörung vor dem G-BA vorgestellt. Sie befasst sich mit der Finanzierung der Kryokonservierung von Eierstockgewebe.
Erst jetzt am 21.7.2022 – mehr als 3 Jahre nach der Gesetzesänderung wird der G-BA im Plenum darüber entscheiden, ob und in welchem Umfang auch die Kryokonservierung von Eierstockgewebe durch die Krankenkassen übernommen werden soll.
Der aktuell zur Entscheidung vorgelegte Entwurf ist nicht öffentlich zugänglich. So bleibt unklar, ob die Kryokonservierung von Eierstockgewebe generell oder nur bei Mädchen und Frauen nach der Pubertät von den Kassen künftig bezahlt werden wird.
Junge Betroffene berichten uns über ein weiteres Problemfeld: Viele Krankenhäuser, auch Universitätskliniken und Kryobanken verfügen nicht über die für eine Kassen-Abrechnung notwendige Kassenzulassung. Sie können Leistungen im Rahmen der Fruchtbarkeitserhaltung wie z.B. Gewebsentnahmen, das Einfrieren und die Langzeitlagerung von Keimzellen nicht abrechnen. Daher werden hier den Betroffenen häufig noch private Rechnungen gestellt, die von den Krankenkassen nicht erstattet werden. Ob diese Probleme im Rahmen der Richtlinie gelöst werden, ist offen.
Wir blicken gespannt auf die Entscheidung des G-BA und werden uns mit der Richtlinienänderung ausführlich auseinandersetzen.
Werden die jungen Patient:innen rasch ihre Kostenübernahme bekommen?
Nein, leider nicht. Für wen auch immer es eine positive Entscheidung in Sachen Eierstockkonservierung geben wird, die Kosten werden von den Krankenkassen erst übernommen werden,
- wenn die Richtlinienänderung vom Gesundheitsministerium genehmigt und im Bundesanzeiger veröffentlicht ist.
- Danach müssen die entsprechenden Abrechnungsziffern im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) geschaffen werden. Hierfür hat der Ausschuss Ärzte/Krankenkassen 6 Monate Zeit. Mit einer Kostenübernahme wird also kaum vor Ende des Jahres 2022 zu rechnen sein.
Nachträgliche Kostenübernahmen werden von den Krankenkassen in der Regel aus rechtlichen Gründen abgelehnt.
Verbesserungen bei Strukturen, Transparenz und Ablauf sind notwendig
Wie auch immer die am 21.7.2022 verabschiedete Richtlinienergänzung aussehen wird – es kann unserer Meinung nach nicht sein, dass Methodenbewertungsverfahren im G-BA weniger transparent und deutlich langsamer sind als die Gesetzgebungsverfahren. Der Ablauf des Methodenbewertungsverfahrens muss reformiert werden, um transparenter und schneller zu werden:
- Die Frist für Methodenbewertungsverfahren des G-BA sollte nach dem Vorbild der Arzneimittelnutzenbewertungen drastisch verkürzt werden auf maximal 1 Jahr für den Gesamtprozess einschließlich der Formulierung der EBM-Ziffern durch den Ausschuss Ärzte/Krankenkassen.
- Bei Verfehlen der Frist sollten die entsprechenden Leistungen bis zum Vorliegen der entsprechenden endgültigen Regelung zeitlich begrenzt in der entstandenen Höhe von den Kassen erstattet werden müssen.
- Richtlinienentwürfe für die Beratungen des Methodenbewertungsausschusses sind anders als Gesetzesentwürfe geheim. Wir fordern Transparenz durch die Veröffentlichung dieser Vorlagen im Internet und damit die Möglichkeit zur öffentlichen Diskussion.
- Die Patient:innenbeteiligung im Verfahren ist unzureichend mit nur einer Vertreter:in. Schon aus Gründen der Kontinuität und der geschlechterparitätischen Gremienbesetzung sollen mindestens zwei Patient:innenvertreter vorgesehen werden.
Die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs
Jedes Jahr erkranken in Deutschland nahezu 16.500 junge Frauen und Männer im Alter von 18 bis 39 Jahren an Krebs. Die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs ist Ansprechpartnerin für Patient:innen, Angehörige, Wissenschaftler:innen, Unterstützer:innen und die Öffentlichkeit. Die Stiftungsprojekte werden in enger Zusammenarbeit mit den jungen Betroffenen, Fachärzt:innen sowie anderen Expert:innen entwickelt und bieten direkte und kompetente Unterstützung für die jungen Patient:innen. Die Stiftung ist im Juli 2014 von der DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e. V. gegründet worden. Alle Stiftungsprojekte werden ausschließlich durch Spenden finanziert. Die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs ist als gemeinnützig anerkannt.