Ein Gastbeitrag von Dafinka
Meine Geschichte fängt wie bei vielen in der Stiftung an: jung und plötzlich Krebs. Mit 35 Jahren stand ich gerade mitten im Leben: Karriere, Kredit fürs Haus, Kids. Mein Kopf war voller Gedanken an das Baby, wie wir den Hauskredit stemmen werden, Rückkehr in den Job nach der Elternzeit, Kindergarten und die damit verbundene Kinderkrankheiten…
Mitte 2017 ertastete ich eine Auffälligkeit in meiner Brust. Ich habe mich immer schon abgetastet und merkte, dass etwas anders ist. Meine damalige Ärztin untersuchte es und wimmelte mich ab, nach dem Motto: Abwarten. Doch einige Zeit später suchte ich sie wieder auf, ohne mich abwimmeln zu lassen. Als die Ärztin wieder auf den Ultraschall verzichtete, war mir klar, ich muss eine Zweitmeinung aufsuchen. Es folgte eine Mammographie. Bei jungem, dichtem Brustgewebe war auf der Mammographie nicht viel zu sehen. Der Radiologie hat sich gewundert, warum ich überhaupt da bin und ich habe ihn gebeten, nochmal mit dem Ultraschall auf eine bestimmte Stelle zu schallen. Er setzte den Schallkopf an, ein Schweigen folgte. Ein leises „Oh“ war im Raum zu hören und da wusste ich es. „Wir müssen eine Biopsie machen, dann wissen wir genaueres.“ Biopsie? Was, wie? Am nächsten Morgen wusste ich schon, was es heißt und vor allem, wie es sich anhört.
Zwei Tage später hatten wir Gewissheit: hormonpositiver Brustkrebs.
Nach einiger Zeit haben mein Mann und ich das Zimmer verlassen und die Welt draußen ist gleichgeblieben, nur unsere nicht. Unwirklich. „Komm, die Kids wollten zum Weihnachtsmarkt, wir können am Freitagnachmittag nichts verändern“, sagte ich. Ich hatte das innere Gefühl, wir werden es schaffen. Mein großer Vorteil war, dass ich eine Langzeitüberlebende kannte, die mir Mut gemacht hat, dass Brustkrebs in den meisten Fällen heilbar ist – und ich werde geheilt.
Generell so kurz vor Weihnachten war es schwer, überhaupt Termine zu bekommen. Viele Bildgebungen, viele Ärzte, viele Wartezimmer in Kliniken folgten. Dann habe ich durch Zufall meinen Onkologen gefunden. „Ach ja, ich brauche noch ein Rezept für meine Perücke“, wollte ich mich mit den Worten verabschieden. „Wozu? Sie werden Ihre Haare wahrscheinlich behalten, wir wenden die Kühlhaube bei Ihnen an!“. Die Worte im Ohr, einer Haube wie ein „Rugby Helm“, startete ich eine Woche später meine Chemo. Es war kalt, ja, es war kalt. Aber ich hatte eine Heizdecke unter mir, eine Decke über mir und heißen Tee. Ganz ehrlich: ich empfand die Eis-Handschuhe viel kälter.
Nun hatte ich endlich meinen langersehnten Fahrplan: Chemo, OP, Bestrahlung, Antihormontherapie und dann noch eine Anschlussheilbehandlung. Aber die Umwege waren im Fahrplan nicht beschrieben – Krebs ist einfach unberechenbar – Punkt.
Meine Haare sind zum Großteil geblieben. Dieses Gefühl „gesund aussehen, krank sein“ hatte zwei Seiten. Ich konnte mir aussuchen, wann ich mit wem über meine Krankheit spreche oder einfach inkognito mit den Kindergarten-Mamies über den Alltag quatschen. Aber für viele sah die Therapie auch nicht „so schlimm“ aus, ich hatte ja schließlich Haare. Aha. Die meisten Betroffenen erleben das nach Therapieende, wenn die Haare wieder wachsen. Und genau dann hat mir am meisten mein Humor geholfen – Humor statt Tumor!
Mit meinem sozialen Netz aus Familie und Freunden hatte ich viel Glück und wurde gut aufgefangen. Es fehlte mir etwas an gleichaltrigen Ansprechpartner und so was wie ein Leitfaden für den Umgang „Familie & Krebs“. Im Tumorzentrum in Bonn erhaschte ich zufällig einen Blick auf einen Zeitungsartikel: Charly gründete mit Tanja den TREFFPUNKT Bonn. Das wollte ich mir unbedingt anschauen und lernte sie 2018 beim Sommerfest in Bonn kennen. Schnell erkannte ich, dass mir genau das noch fehlte: verstehen ohne viele Worte.
2019 bin ich schließlich selbst ein Teil der Stiftung geworden und wollte mich insbesondere für den Bereich Familie & Krebs einsetzen. Als ich das erste Mal erkrankte, wusste ich nicht, was ich mit meiner Elternzeit anfangen soll, wie man eine Haushaltshilfe beantragt, welche Rechte ich habe. Informationen zusammenzusuchen, war sehr mühsam während der Chemo, ob bei https://www.bmfsfj.de/ oder vom erkrankten Bekannten oder direkt bei der Stadt. Schließlich habe ich meine Elternzeit aufgrund schwerer Krankheit unterbrochen, habe eine Haushaltshilfe beantragt während meiner Chemozeit, habe eine Tagesmutter für mein Kind im Eilverfahren erhalten und und und…
Schnell habe ich gemerkt, dass die ganzen Infos anderen Betroffenen helfen können. Zusammen mit der Stiftung haben wir auf den Internetseiten eine Zusammenfassung aus Erfahrung gemacht und mit Quellen belegt (https://junge-erwachsene-mit-krebs.de/wissensbegriffe/category/familie-und-krebs/).
Und dann bereitete ich mich auf die Rückkehr in das Arbeitsleben vor. Viele sozialrechtliche und sonstige Hürden (man hat ja sonst nix zu tun in der Chemo – ja, Ironie!) machen den Weg nicht einfach.
Eine letzte angleichende Operation noch, hatte ich mir gesagt. Es kam ganz anders. Nach der OP kam überraschend die zweite Diagnose: Triple negativer Brustkrebs. Und da war dieser Moment, schwer zu beschreiben, schwer zu verstehen, pure Angst. Ich bin gefallen, ohne Boden, ohne Netz, ohne die Tränen trocknen zu können.
Dieses Gefühl und wie genau sich alles danach entwickelt hat, erzähle ich ausführlich in der neuesten Podcast-Folge: https://junge-erwachsene-mit-krebs.de/jung-und-krebs/podcast-wissen-für-junge-betroffene/
Da es kein Rezidiv war, sind meine Heilungschancen gut. Ich hatte viele weitere Chemotherapien, Kühlhaube, Physiotherapie, Ergotherapien, Operationen, Psychoonkologie… ich war mein eigener Experte, wie ich diesen Weg mit Familie und Krebs gehen kann.
Und heute? Ich bin dabei, fit zu werden – mental und körperlich – und kann sagen, dass ich krebsfrei bin :-)
Meine Bitte an Euch – Tastet Euch ab, nehmt die Zweitmeinung wahr, redet und genießt die kleinen „happy moments“ im Leben!
Halt! Ich möchte mich bedanken: bei meinem Mann, der für mich und die Kids einfach die Welt bedeutet, bei meiner Schwester und Kerstin, die einige Dramen abgewendet haben, bei meinen Eltern, die alles für mich tun würden, bei meiner Familie und meinen Freunden, die zu jeder Uhrzeit da waren, bei Vanessa, die mir immer ein offenes Ohr schenkt, bei meinen Nachbarn und meinem Kindergarten und meiner Schule – Mamis, die mich mit Alltag und im ‚Feld spazieren‘ abgelenkt haben, bei dem TREFFPUNKT Bonn und Bianca für viel schwarzen Humor und bei allen anderen noch. Und schließlich bei meinen Kindern, die mir, ohne es zu wissen, durch ihre Liebe die meiste Kraft und Zuversicht geben, so viel mehr zu schaffen!
Eure Dafinka (Instagram: @daf2be)