Kryokonservierung – Eine Erfolgsgeschichte Teil 1

11. März 2021 – Gastbeitrag

Ein Gastbeitrag von Nadine

Das Jahr 2010 hat mein Leben verändert.

Als mir am 01. März 2010 eröffnet wurde, dass ich krebskrank war, reagierte ich anders, als es die meisten anderen Menschen wohl getan hätten. Meine erste Frage war, ob ich geheilt werden kann. Und meine zweite Frage war, was wir tun können, damit ich später gesunde Kinder bekommen kann. Da war einfach dieser Gedanke, diese Angst, nichts von mir auf dieser Welt hinterlassen zu können. Und ich wusste schon damals ganz sicher, dass ich Mutter werden möchte. Vermutlich habe ich deswegen sofort die entscheidende Frage nach der Fruchtbarkeitserhaltung gestellt.

An die Worte meiner Ärztin erinnere ich mich noch ganz genau:
„Sie haben ein Lymphom.“
Ich fragte, ob das Krebs bedeute.
„Ja, Krebs.“
„Was für ein Krebs?“
„Sie haben Lymphdrüsenkrebs.“

„Wir machen Sie hier gesund.“ sagte die Ärztin mir gleich zu Anfang. Diese Worte haben mich durch die kompletten 6 Monate meiner Therapie begleitet. Die Heilungschancen waren gut, sie lagen zwischen 80 und 90%.

Der Krebs war bereits im fortgeschrittenen Stadium 4b. Die Therapie (BEACOPP eskaliert) sollte so schnell wie möglich beginnen. 4 Tage vor dem Start der Chemo, wurde ein Teil meines Eierstocks operativ entnommen und kryokonserviert. Die Kosten für die Operation (damals waren es in etwa 700 bis 800 Euro) habe ich mit Hilfe meiner Eltern tragen können. Von da an habe ich für die Lagerung des Gewebes alle 6 Monate Gebühren gezahlt.

Am 9. März begann die 1. Chemo. Die ganze Zeit war ich sehr gefasst. Ich tröstete meine Freunde, meine Familie. Ich beruhigte, erklärte und funktionierte. Kurze Zeit später bin ich psychisch stark eingebrochen. Ich litt unter schlimmen Panikattacken und konnte diese erst nach Monaten mit Hilfe einer Psychoonkologin der Hamburger Krebsgesellschaft bewältigen. Dazu verlor ich unter der Therapie meine Konzentrationsfähigkeit. Ich konnte mir nichts mehr merken. Ohne mein Notizbuch habe ich das Haus nicht mehr verlassen. Das Chemobrain nahm mir die Kontrolle über meine Gedanken, zusammen mit extremen Schlafstörungen in Folge der hohen Cortison Dosen war das eine sehr unangenehme Folge, die mich phasenweisen hilflos gemacht hat. All diese Probleme habe ich letzten Endes mit Hilfe meiner Familie und den Mitpatienten überstanden, die in dieser Zeit zu engen Freunden wurden. Einen dieser lieben Menschen, habe ich kurz nach Ende meiner Therapie an den Krebs verloren. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich gerade frisch in meinen heutigen Mann verliebt. Ich konnte die beiden kurz vor seinem Tod noch miteinander bekannt machen. Das war der Punkt, an dem ich eine Pause brauchte. Eine Pause vom Krebs, vom Leid, dass mein bester Freund erfahren musste, bevor er erlöst wurde. Ich gab meinen Job in der Werbung auf und zog von Hamburg nach Braunschweig zu meinem Freund.

Ich habe während der Chemotherapie GnRH-Analoga erhalten, die die Aktivität meiner Eierstöcke unterdrücken sollten. Das hatte zur Folge, dass mein Körper mit 24 Jahren in einen Zustand der Wechseljahre versetzt wurde. Der Versuch hierdurch meine Fruchtbarkeit zu erhalten war leider nicht erfolgreich, wie sich später zeigte. Die Jahre nach der Erkrankung waren geprägt von der Angst wieder zu erkranken. Besonders schlimm war es im ersten Jahr. Es hat einige Zeit gedauert, bis sich das Vertrauen in meinen Körper wieder eingestellt hat. Ungefähr zwei Jahre nach Abschluss der Behandlung waren meine schlimmsten Ängste überstanden.

2015 hat ein Hormonstatus ergeben, dass ich ohne die Hormonzugabe durch die Pille komplett in den Wechseljahren war. Zu diesem Zeitpunkt war ich schon 4 Jahre mit meinem heutigen Ehemann zusammen, das Thema Kinderwunsch wurde immer konkreter für uns. Weitere zwei Jahre später im April 2017 ließ ich Teile meines Eierstockgewebes im Universitätsklinikum Erlangen bei Prof. Dr. Beckmann reimplantieren. Gut 4 Monate nach der Transplantation begann mein Körper wieder mit der Produktion von Hormonen. Zum ersten Mal seit der Behandlung hatte ich wieder das Gefühl eine ganz normal funktionierende Frau zu sein. Denn Unfruchtbarkeit in einer Phase, in der viele unserer Freunde Eltern wurden, das war für mich sehr schmerzhaft. Mein Mann hat mich immer aufgebaut und zum Glück nie so betrachtet wie ich es getan habe. Ich möchte aber doch betonen, dass es für eine Beziehung durchaus sehr schwierig sein kann, wenn das Thema Sexualität durch fehlende Hormone und den psychischen Stress plötzlich zu einem negativ belasteten Punkt wird.

Nach der Transplantation wurde ich regelmäßig in einer Kinderwunsch Klinik in Hamburg untersucht. Es waren reife Follikel zu erkennen. Für mich war das ein unfassbares Glück. Wie ich vom leitenden Professor der Uniklinik erfuhr, ist das Verfahren der Reimplantation inzwischen deutlich besser erforscht als noch vor 10 Jahren. Zum Zeitpunkt der Gewebeentnahme wollte und konnte mir kein Arzt versprechen, dass mir die Kryokonservierung eines Tages zum Kinderwunsch verhelfen wird. 2017 war ich dann die 50. Transplantationspatientin bei Prof. Dr. Beckmann.

Wir versuchten auf natürlichem Weg schwanger zu werden. Das Glück war nicht sofort auf unserer Seite, sodass man mir zu einer künstlichen Befruchtung riet. Ich wollte damit jedoch noch warten, weil ich die Hoffnung hatte ohne künstliche Hormonstimulation schwanger zu werden. Vier Wochen später war der Schwangerschaftstest dann positiv. An meinem 33. Geburtstag, dem 19. Dezember 2018 bekam ich unsere Tochter Anna Vanessa. Sie ist das größte Geschenk für uns. 10 Monate später, im Oktober 2019 wurde ich erneut spontan schwanger. Leider endete diese Schwangerschaft kurze Zeit später als Eileiterschwangerschaft. Trotzdem sind zwei Schwangerschaften in so kurzer Zeit ein enorm positives Ergebnis, wenn man bedenkt, dass ich erst seit kurzem wieder fruchtbar bin.

Ich bin mir bewusst, dass ich nur lebe, weil die Chemotherapie sämtliche Krebszellen in meinem Körper vernichtet hat. Leider hat sie aber auch zahlreiche gesunde Zellen zerstört. Umso wichtiger ist es, dass junge Patienten vor Beginn einer solchen Therapie über die Möglichkeiten der Fruchtbarkeitserhaltung aufgeklärt werden.

Dank der Entscheidung des behandelnden Professors in Erlangen, wurde 2017 nur die Hälfte meines Eierstockgewebes transplantiert. Die andere Hälfte habe ich mir 2020 transplantieren lassen und unsere Hoffnung auf ein zweites Kind ist übrigens wahr geworden. Am Neujahrsmorgen 2021 haben wir einen Schwangerschaftstest gemacht. Ich bin jetzt in der 13. Woche schwanger und voller Vorfreude blicken wir auf die Geburt im September. Allen betroffenen Krebspatient:innen möchte ich mit der Veröffentlichung meiner Lebensgeschichte Hoffnung machen und euch darin bestärken, positiv auf eure Zukunft nach der Krankheit zu blicken.

Gleichzeitig wünsche ich mir, dass die Entscheidungsträger:innen der Krankenkassen durch Beispiele wie meines wachgerüttelt werden. Es ist toll, dass es in einem Land wie Deutschland möglich ist schwere Krankheiten wie Krebs zu heilen und eine Perspektive für das Leben zu geben. Zu der Perspektive gehört aber eben auch die Aussicht eine Familie gründen und Kinder bekommen zu können, weil es ein ganz essentieller Bestandteil des menschlichen Lebens ist. Wenn es schon so erfolgsversprechende Möglichkeiten gibt Menschen den Kinderwunsch zu erfüllen, sollte das zum Leistungsumfang einer Krankenkasse gehören. Das Recht auf Kinder muss in seiner Wichtigkeit und Anerkennung steigen.