Nur ein kleiner, aber doch so wichtiger Teil meines Körpers – Medizinische Brustwarzenrekonstruktion

6. Januar 2019 – Gastbeitrag

Ein Gastbeitrag von Vera

Im August 2013 bekam ich im Alter von 23 Jahren die Diagnose Brustkrebs und möchte euch erzählen, wie es mir ergangen ist, welche positiven und negativen Erfahrungen ich gemacht habe und wie mich dieses Schicksal verändert hat. Besonders möchte ich euch auf Andy Engel aufmerksam machen. Ihr fragt euch bestimmt, wer er ist. So viel sei zu Beginn gesagt: Er konnte mir durch seine Arbeit deutlich mehr Lebensqualität zurückgeben.

Vera im Gespräch mit Andy Engel

Aber ich fange vielleicht von vorne an. Für mich war die Diagnose, wie für alle anderen Betroffenen und deren Angehörigen wahrscheinlich auch, ein harter Schicksalsschlag. Ich war doch mitten im Leben und mitten im Studium. Mir gingen so unendlich viele Dinge durch den Kopf… Wie schlimm ist es? Wie wird es mir in dieser Zeit gehen? Wie wird sich mein Leben verändern? Oh Gott, meine Haare. Ich möchte noch so viele schöne Dinge erleben. Das waren alles Dinge, die ich nicht vorhersehen konnte. Aber zwei Dinge wusste ich ganz genau: Aufgeben war niemals eine Option für mich und um dem Krebs die Stirn zu bieten und gegen ihn zu kämpfen, habe ich wundervolle Menschen um mich rum, die alles in ihrer Macht stehende tun werden, um mich zu unterstützen und mich aufzufangen. In dieser Zeit gab es viele Tiefs und umso schönere Hochs. Ich bin gestolpert, gefallen und bin jedes Mal wieder aufgestanden, habe meine Krone gerichtet und weiter gekämpft… und zwar mit Erfolg. Ich habe den Krebs besiegt mit voller Kraft und einer Überdosis Lebensfreude. Meine Freunde und Familie haben meinen Rucksack solange getragen, bis ich wieder Kraft hatte. Gemeinsam mit ihnen hatte der Krebs keine Chance. Trotz der starken Lebensfreude hat mich die Erkrankung das eine oder andere Mal zu Boden gezerrt. Ich muss zugeben, ich habe mir die Nebenwirkungen der Chemo schlimmer vorgestellt. Natürlich war auch das kein Zuckerschlecken, aber was ich damit sagen möchte ist: Ich denke, dass die positive, innere Einstellung gebündelt mit Willensstärke zum Krankheitsverlauf beitragen und dem Körper sehr viel Kraft geben kann.

Ich bekam insgesamt acht Chemozyklen. Nach der Hälfte stand die OP an, der ich aber eher positiv gegenüberstand. Ich hatte Angst, gar keine Frage. Aber ich wusste auch, nach dieser OP ist der ganze Sch*** aus mir raus. Doch dann kam eine Nachricht meiner Ärztin, die mich mehr zu Boden riss, als alle anderen Tiefs vorher. Ein Tumor lag so zentral in der Mamille (Brustwarze), dass sie mir diese entfernen mussten. Es ist zwar „nur“ ein kleiner Teil meines Körpers, aber für mich, und ich glaube auch für die meisten anderen Frauen, ein sehr wichtiger Teil. In dieser Situation war ich kurze Zeit nicht in der Lage meine Krone zu richten. Aber meine Familie und Freunde haben mich aufgefangen und mir Mut gemacht: „Dieses kleine Körperteil für ein gesundes Leben.“ Die Einsicht kam etwas später, aber sie hatten Recht. Und trotzdem, fiel es mir unglaublich schwer, in den Spiegel zu sehen.

Im Uniklinikum habe ich eine medizinische Brustwarzenrekonstruktion durch eine Pigmentierung machen lassen. Doch auch danach war ich nicht zufrieden. Es war schon deutlich besser und sie haben dort tolle Arbeit geleistet, aber ich dachte mir, dass es doch noch realitätsnäher umsetzbar sein musste. Da eine Pigmentierung mit der Zeit verblasst, müsste ich sie ca. alle zwei Jahre auffrischen lassen. Dadurch entsteht mit jeder Wiederholung mehr Narbengewebe, was ich eigentlich vermeiden wollte.

Ich weiß noch, dass ich einen Bericht über einen Tätowierer im Fernsehen gesehen habe, der Frauen, die dasselbe Schicksal teilen, wie ich, Brustwarzen möglichst realitätsnah tätowiert – Andy Engel. Dieser Beitrag ging mir die ganze Zeit nicht aus dem Kopf. Als ich im Sommer 2018 das zweite Mal eine Reha durchführte, habe ich dieses in einem Gespräch mit einer Breast-Care-Nurse angesprochen. Auch sie kannte Andy (durch Berichte und Erfahrungen anderer Patientinnen) und hat von seiner Arbeit geschwärmt. Seitdem war klar, dass ich die Reise nach Bayern und die Kosten dafür aufnehmen werde und habe ihn kontaktiert. Heute frage ich mich, warum ich so lange gezögert habe. Was hatte ich denn auch zu verlieren. Heute weiß ich, dass dieses hinsichtlich meiner Erkrankung eine der besten Entscheidungen war. Unsicherheit oder Scharm gegenüber Andy? Nie!

In einem Telefonat haben er und seine Mitarbeiterin mir den Ablauf erklärt. Normalerweise bietet er ein persönliches Vorgespräch an. Da meine Heimat allerdings zu weit entfernt ist, haben wir es unkompliziert per Telefon und E-Mail durchgeführt. Am Tag der Tätowierung hatte ich auch nie ein unwohles oder ängstliches Gefühl. Ich war nervös, klar, schließlich veränderte diese mein Leben.

Nach dem Termin, bekommt jede Kundin Pflegeprodukte, Folie und eine Anleitung mit nach Hause. Falls später Fragen auftauchen sollten, kann man ihn telefonisch oder per Mail kontaktieren. Ein paar Wochen später ist auch ein Kontrolltermin geplant. Bei dem schaut Andy selbst, wie das Ergebnis geworden und ob die Kundin zufrieden ist. Falls nicht, sticht er direkt nach, was aber in den Kosten mit inbegriffen ist.

Andy legt sehr viel Wert darauf, dass die Frauen mit einem guten Gefühl nach Hause gehen. Seine Arbeit ist für ihn erst dann beendet, wenn es den Frauen gefällt, sie in den Spiegel schauen können und sich wieder ganz fühlen. Er arbeitet wirklich sehr sauber, hygienisch und sorgfältig. Seine Farbtöne, die er verwendet, hat er selbst gemischt und sie werden nach seinen Angaben produziert. Er könnte die Einstellung haben, dass er einfach nur seine Arbeit macht, das Geld einkassiert und alles andere keine Rolle spielt. Doch das tut er nicht – ganz im Gegenteil. Er erzählte mir, er hat ein schlechtes Gewissen dabei, wenn die Frauen die Tätowierung in den meisten Fällen selbst zahlen müssen, obwohl es eine Folge der Krebserkrankung ist, die sie sich gewiss nicht selbst ausgesucht haben. Deswegen setzt er sich dafür ein, dass die Krankenkassen diese bezahlen. Falls die Krankenkasse dieses nicht übernimmt, empfiehlt er eine Anwältin, die sich dafür einsetzt. Oft ist es mit einem Kampf gegen die Kassen verbunden – unnötige Energie, die man sich sparen könnte. Vor dem ersten Termin hat er mir schon Empfehlungsschreiben von umliegenden Ärzten und Krankenhäusern geschickt, die ihre Patientinnen bereits direkt zu Andy schicken. Diese Empfehlungen konnte ich direkt bei der Krankenkasse mit einreichen, da sie ja bereits verdeutlichen, dass seine Arbeit den Frauen hilft und sogar die Ärzte ihn aus medizinischer Sicht empfehlen. Genau das ist ein Ziel – die Kooperation mit den Ärzten, Krankenhäusern und Unikliniken, denn so, wie er niemanden operieren kann, können die Pflegekräfte nicht so professionell tätowieren, wie er es kann. Um dieses Ziel zu erreichen, setzt er sich mit der Erkrankung auseinander. Er besucht Ärztekongresse, um auf der einen Seite seine Arbeit zu präsentieren aber auf der anderen Seite um mehr über diese Erkrankung zu erfahren. Neben diesen Besuchen führt er auch Öffentlichkeitsarbeiten durch.

Nachdem dieses düstere Kapitel in meinem Leben endlich zu Ende geschrieben ist, habe ich erkannt, dass mich diese Erkrankung nur stärker gemacht hat. Ich weiß, worauf es im Leben ankommt und ich genieße jeden Augenblick. Und ist das nicht ein Geschenk?! :)

Zum Schluss nur noch eine Sache:
Egal, wie aussichtslos eure Situation auch zu sein scheint, hört niemals auf, an euch und eure Kraft zu glauben! Verliert niemals eure Lebensfreude und habt immer ein Lächeln im Gesicht! Denkt immer daran, dass ihr die Stärke gewonnen habt, mit der ihr im Leben alles schaffen könnt!