Best of Congress – „AYA“

20. Dezember 2018 – News

Vom 28. September bis 02. Oktober 2018 fand in Wien die Jahrestagung der deutschen, österreichischen und schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie statt. Rund 5.500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer verfolgten in zahlreichen Sitzungen die mehr als 1.200 Präsentationen. Ein Themenbereich beschäftigte sich mit den sogenannten AYAs (Adolescents and Young Adults with Cancer). Hierzu haben wir nun ein Best of Congress zusammengetragen und stellen Betroffenen und Interessierten eine Zusammenfassung der neusten und relevantesten Inhalte zu jungen Erwachsenen mit Krebs zur Verfügung:

Aus der Stiftung

Posterpräsentationen unserer Promotionsstipendiatinnen und -stipendiaten

JUNGES KREBSPORTAL

Prof. Dr. med. Mathias Freund stellte das Poster zum JUNGEN KREBSPORTAL vor.
(Autoren: Seifart, U.; Langer, T.; Na, I.; Schulze, J.; Freund, M.)

Ernährung und Sport

Bewegungsinterventionen für AYAs

Dipl.-Sportwiss. Jannike Salchow – Universitäres Cancer Center Hamburg  (UCCH)

Zusammenfassung und praktische Tipps

Studien mit jungen Krebsüberlebenden haben gezeigt, dass gezielte Interventionen zur Steigerung der körperlichen Aktivität erfolgreich sind und zu einer Verbesserung der kardiovaskulären Parameter, der Fatigue und der Lebensqualität führen können. Regelmäßige intensive Bewegung reduziert das Risiko für Herzkreislauf-Erkrankungen sowie der Gesamtsterblichkeit.

Betroffenen wird empfohlen 150 min pro Woche moderate Bewegung oder 75 min pro Woche intensive Bewegung auszuüben (oder eine Kombination aus beiden Intensitäten). Zusätzlich sollten zwei Mal pro Woche Übungen zur Kräftigung der großen Muskelgruppen ausgeübt werden.

Salchow plädierte darüber hinaus im Zuge der allgemeinen Nachsorge ergänzende Lebensstilberatungen zu Bewegung und Sport anzubieten, um individuelle Vorlieben, Ziele und Interessen berücksichtigen zu können. Das Ziel dieser Beratungen sollte eine nachhaltige Veränderung des Bewegungsverhaltens sein, um das Risiko für Langzeitfolgen zu verringern.

Ernährungsinterventionen für AYAs

Julia von Grundherr – Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hubertus Wald Tumorzentrum, Universitäres Cancer Center Hamburg (UCCH

Zusammenfassung

Studien mit jungen Krebsüberlebenden zeigen, dass eine gesunde und ausgewogene Ernährung sowie eine regelmäßige körperliche Aktivität das Risiko für Folgeerkrankungen, wie Herzkreislauferkrankungen, oder Übergewicht reduzieren können und sich positiv auf das psychische Wohlbefinden und die Lebensqualität auswirken. Insbesondere eine mediterrane Ernährung kann das Risiko für eine Herzkreislauf-Erkrankung senken.

Nach den Empfehlungen des World Cancer Research Fund (WCRF) sollten Krebsbetroffene und damit auch Krebsüberlebende eine Ernährungsintervention, in diesem Fall in Form von Ernährungsberatung, erhalten. Diese individuelle Lebensstilberatungen im Bereich Ernährung und Bewegung soll angeboten werden, um nachhaltig den Lebensstil zu verbessern und das Risiko für Langzeitfolgen zu verringern.

Ausführliche Informationen zum Thema „Ernährung“ gibt es in AYApedia.

Krebs und Armut

Prof. Dr. med. Mathias Freund – Kuratoriumsvorsitzender der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs

Zusammenfassung

Junge Erwachsene mit Krebs werden mitten aus dem Leben gerissen, müssen sich anschließend erst einmal orientieren, organisieren und verspüren Druck durch die anstehenden Behandlungen. Vielleicht möchten sie ihre Ausbildung oder ein Studium erfolgreich beenden oder wieder in ihren Beruf zurückkehren, tragen möglicherweise schon Verantwortung für Familie und Kinder und sehen sich neben den Langzeitnebenwirkungen nun auch mit finanziellen Problemen konfrontiert.

Die Ursachen für finanzielle Verluste und Belastungen durch Krebs und seine Behandlung sind vielfältig. Bei Ausbildungsunterbrechungen kann es zum Ausfall des BAFöGs kommen, außerdem sind Zuzahlungen durch die Betroffenen, bspw. bei nicht erstatteten Fahrtkosten sowie die private (Vor-)finanzierung von Kosten ebenfalls gängig. Zudem können dem Verlust eines Teils des Einkommens durch das Krankengeld oder die Erwerbsminderungsrente hohe Belastungen folgen.

Um diese Ursachen gezielt bekämpfen zu können ist zunächst einmal eine umfangreiche Datenerhebung notwendig. Leider gibt es international nur sehr wenige Veröffentlichungen und für Deutschland fehlen systematische Untersuchungen vollständig. Die Erhebung bei jungen Betroffenen gestaltet sich aufgrund der Heterogenität der Folgen der Erkrankung und ihrer Behandlung, ebenso wie der sozialen Situation der Betroffenen, nicht einfach. Entsprechende Hilfsangebote müssen demnach stark individualisiert werden und erfordern eine sehr breite Expertise.

Aktuell wird an einem Projekt zu finanziellen und sozialen Folgen einer Krebserkrankung gearbeitet. Dargestellt werden sollen relevante Inhalte und sozialrechtliche Regelungen zu Schule, Ausbildung, Studium, stufenweiser Wiedereingliederung sowie medizinischer und beruflicher Rehabilitation. Darüber hinaus werden auch Zuzahlungen, Finanzierungsfragen von Gesundheitskosten, Krankengeld, Erwerbsminderungsrente, Grundsicherung und der Schwerbehindertenausweis thematisiert.

Krebs und Kinderwunsch

Fertilitätsprotektion bei Frauen

PD Dr. med. Monika Wölfler – Medizinische Universität Graz, Abteilung für Geburtshilfe, Schwerpunkt Gyn. Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin

Zusammenfassung

In ihrem Vortrag ging Wölfler auf vier große Themenbereiche ein. Zunächst zeichnete sie die Einflussfaktoren auf die natürliche Fertilität bei Frauen nach und stellte sie die assistierte Reproduktion (ART) vor. Anschließend erläuterte sie detailliert den Effekt von onkologischen Behandlungen auf die Fertilität und gab eine umfangreiche Übersicht zu Fertilitätsprotektiven Maßnahmen und den Daten aus dem FertiPROTEKT Netzwerk.

Krebsbehandlungen während einer Schwangerschaft – Die schwangere HL-Patientin

Prof. Dr. med. Ulrich Dührsen – Klinik für Hämatologie, Westdeutsches Tumorzentrum, Universitätsklinikum Essen

Zusammenfassung

Eine Schwangerschaft und gleichzeitige Krebsbehandlung müssen sich nicht ausschließen. Therapien währenddessen sind möglich. Der Zeitpunkt, an dem sich die Patientin innerhalb der Schwangerschaft befindet, ist jedoch ausschlaggebend.

In seinem Vortrag stellte Dührsen heraus, dass im 1. Trimenon sowohl auf Chemo- als auch auf Strahlentherapie verzichtet werden sollte, da ansonsten die Gefahr für Missbildungen bei den Kindern steigt. Ab dem 2. oder 3. Trimenon ist dagegen eine Chemotherapie in üblicher Dosis möglich, wobei kein Methotrexat verwendet werden sollte. Strahlentherapien können bei Abschirmung des Bauches ebenfalls zervikal und axillär Anwendung finden. Die letzte Therapie sollte drei Wochen vor der Entbindung und die Geburt selbst so spät wie möglich stattfinden. Frühgeburten gibt es häufig.

Dührsen erklärte, dass es bisher leider nur sehr wenig Daten gibt, da noch keine randomisierten Studien existieren. Generelle, allgemeingültige Aussagen zum Thema Krebs und Schwangerschaft können nicht getroffen werden. Es ist nach wie vor abhängig vom jeweiligen Fall.

Nachsorge

Präventionsprogramme in der Nachsorge von AYA

Dr. med. Julia Mann – Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hubertus Wald Tumorzentrum, Universitäres Cancer Center Hamburg (UCCH)

Zusammenfassung

Die Patientengruppe der jungen Erwachsenen mit Krebs ist wie auch deren Versorgung sehr heterogen. Insgesamt sind in Europa die Versorgungsansätze sehr unterschiedlich. Bisher ist die AYA-spezifische Versorgungssituation unzureichend. Meist ist deren Struktur nur auf die medizinische Tumornachsorge beschränkt. Eine darüberhinausgehende Nachsorge, die sehr wichtig ist, fehlt. Es ist, so Mann, deshalb absolut notwendig AYA-Zentren mit multidisziplinären Teams aufzubauen.

In ihrem Vortrag geht Mann ausführlich auf die AYA-spezifische Versorgung in Deutschland ein und stellt verschiedene Akteure wie das AYA-Netzwerk der DGHO Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie, die Onkopedia-Leitlinien zu „Heranwachsenden und jungen Erwachsenen“ und AYApedia und die Angebote der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs, wie die Erste-Hilfe-Karte und das JUNGE KREBSPORTAL vor.

Langzeitfolgen und Nachsorge nach Blutstammzelltransplantation

PD Dr. med. Inken Hilgendorf – Universitätsklinikum Jena, Klinik für Innere Medizin II, Abteilung Hämatologie und Internistische Onkologie, Sektion Stammzelltransplantation, Am Klinikum 1

Zusammenfassung

Der Artikel „Langzeitfolgen und Nachsorge nach Blutstammzelltransplantation“ von PD. Dr. Inken Hilgendorf erschien in der November-Ausgabe Spectrum Onkologie 7/18 (MedMedia Verlag und Mediaservice GmbH, Wien) und zeigt, dass Langzeitfolgen nach der Stammzelltransplantation auch Jahre nach einem symptomfreien Intervall auftreten können.

Zur Vermeidung beziehungsweise frühzeitigen Diagnostik von Langzeitfolgen und deren Risikofaktoren sind strukturierte Nachsorgeprogramme erforderlich, welche die Schulung des Patienten und eine enge Kooperation zwischen Patienten, Hausarzt, niedergelassenem Facharzt und Transplantationszentrum voraussetzen.

Patienten, die an einer chronischen Graft-versus-Host-Erkrankung (GvHD) leiden, benötigen eine multidisziplinäre Langzeitnachsorge in Spezialambulanzen an den Transplantationszentren.

Psychoonkologie

Psychosoziale Interventionen für AYAs

Dr. rer. med. Diana Richter – Universitätsklinikum Leipzig AöR, Medizinische Psychologie & Medizinische Soziologie, Forschungsgruppe AYA Leipzig – Junge Erwachsene mit Krebs

Zusammenfassung und Ausblick

AYAs haben, auch je nach spezifischem Alter und individueller Lebensumstände sowie anstehender Entwicklungsaufgaben unterschiedliche Informations- und Unterstützungsbedürfnisse. Bislang existieren in Deutschland keine wissenschaftlich begleiteten Interventionen zur Verbesserung der psychosozialen Lebenssituation junger Krebsbetroffener.

Die erste größer angelegte, multizentrische Studie ist das Care for Caya-Programm des Universitären Cancer Center Hamburg (UCCH). Daneben existiert eine Vielzahl niedrigschwelliger Formate wie Blogs, Facebookauftritte und Foren, wenngleich es wenig psychoedukative Internetangebote gibt. Daneben bieten Selbsthilfegruppen, Stiftungen und Vereine Anlaufstellen, Aktivitäten und Veranstaltungen (z.B. Fotoshootings, Kosmetikseminare) für junge Erwachsene mit Krebs. Eine Vernetzung dieser Initiativen mit verschiedenen Institutionen, Krebsberatungsstellen und Kliniken mit psychosozialen Beratungsangeboten ist bei Studien sehr wichtig, da in der AYA-Altersgruppe teilweise große Rekrutierungsschwierigkeiten bestehen.

Richter zufolge sollte zukünftig der Fokus auch auf die Resilienz (psychische Widerstandskraft) der AYAs gelegt werden. Was stärkt diese Gruppe? Und welche Faktoren bewirken, dass einige AYAs eine sehr gute Krankheitsbewältigung haben und andere wiederum psychosozial stark beeinträchtig sind? Ebenso wichtig ist das Differenzieren aller Altersgruppen innerhalb der AYA-Gruppe. Was braucht ein 25jähriger AYA im Gegensatz zu einem 35jährigen AYA?

Für das Jahr 2019 ist der Start neuer Projekte in Leipzig geplant. Dazu zählen die Pilotierung eines Mentorenprogramms für junge Erwachsene Krebspatienten und das Online Schreibtherapie Projekt „Onko STEP“.

Randomisierte klinische Studie – Coping Support Interventionen für Eltern von AYAs

Dr. rer. medic. Michael Köhler – Universitätsklinik für Hämatologie und Onkologie Magdeburg, Arbeitsbereich Psychoonkologie

Zusammenfassung

Eltern sind aufgrund der Krebserkrankung ihres Kindes häufig ähnlich psychisch belastet und kämpfen mit Angst, Depressionen und Schuldgefühlen. Es konnte nachgewiesen werden, dass solche Belastungen auch noch viele Jahre nach erfolgreich abgeschlossener Krebstherapie bestehen.

Im Zuge einer randomisierten klinischen Studie wurde eine Angehörigensprechstunde für Eltern von AYA mit malignen hämatologischen Erkrankungen eingeführt. Das Ergebnis zeigte, dass die teilnehmenden Eltern nach dieser Intervention eine statistisch signifikant geringere psychische Symptombelastung und verbesserte Lebensqualität im Vergleich zu einer nicht behandelten Kontrollgruppe aufwiesen.

Social Media

Die heile Welt von Instagram

Julia Stüwe – Universität Rostock, Institut für Medienforschung, Lehrstuhl für Kommunikations- und Medienwissenschaften, Promotionsstipendiatin der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs

Zusammenfassung

Eine chronische Erkrankung fällt insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen in eine Phase, in welcher die Suche nach der eigenen Identität eine zentrale Entwicklungsaufgabe einnimmt. Die Identitätsarbeit findet u.a. über Selbstdarstellungsprozesse in digital öffentlichen Handlungsräumen, wie sozialen Medien, statt. Das Festhalten und die digitale Archivierung von privaten Momenten ist eine Form des Umgangs mit der Erkrankung. In einem solchen digitalen Tagebuch sind Krankheitsaufnahmen nicht nur Bildgegenstand, sondern dienen gleichzeitig als eine Art Identitätsbestätigung der abgebildeten Person als erkrankt.

Im speziellen Fall untersuchte Stüwe das Postingverhalten von Krebsbloggerinnen und Krebsbloggern auf Instagram. Ihr fiel auf, dass die Blogger trotz ihres öffentlichen Manifestierens als erkrankte bzw. ehemals erkrankte Person nur wenige krankheitsbezogene Inhalte veröffentlichen. Die gefundenen Inhalte werden mit vermehrt positiven und neutralen Botschaften versehen. Alltägliche Elemente, wie Essen, Beauty, Gadgets oder Freunde/Familie und ihre positive Verknüpfung, sind Themen, die deutlich häufiger anzutreffen sind. Der Krankheit wird demnach kein dominierender Platz eingeräumt, sondern eher das positive Leben damit und darum gezeigt. Somit zeichnen die Bloggerinnen und Blogger eine heile Welt in ihren Accounts nach.