Anträge an gesetzliche Krankenkassen
In diesem Abschnitt konzentrieren wir uns aus aktuellem Anlass auf die Antragstellung bei den gesetzlichen Krankenkassen. Antragstellungen bei anderen öffentlichen Institutionen oder Ämtern verlaufen nach ähnlichen Prinzipien, jedoch gibt es hier oft vorgeschriebene Formulare für die Anträge.
Antrag an die gesetzlichen Krankenkassen stellen
Bestimmte Leistungen müssen bei den gesetzlichen Krankenkassen beantragt werden. In der Regel sind es Leistungen, die der Arzt oder das Krankenhaus nicht gleich über die Versichertenkarte abrechnen kann. Dies gilt z. B. 2020 noch für die Kryokonservierung bei der Fruchtbarkeitserhaltung.
Wann muss man den Antrag stellen?
Der Antrag muss gestellt werden, bevor die Leistung in Anspruch genommen wird. Dies ist extrem wichtig, weil sonst die Übernahme der Kosten für die Leistung schon formal aufgrund von § 13 SGB V abgelehnt werden kann.
Die Regelungen des § 13 SGB V und die damit zusammenhängende Rechtsprechung sehen vor, dass die gesetzliche Krankenkasse die Möglichkeit zur Prüfung eines Antrags erhalten muss. Die Zeit für die Prüfung kann bei unaufschiebbaren Leistungen (wie z. B. Kryokonservierung vor einer in den nächsten Tagen anstehenden Chemotherapie) kurz sein. Wie kurz, wäre im Zweifelsfall Entscheidung eines Sozialrichters. Es ist aber in jedem Fall klug, den Antrag spätestens am Tag vor der Inanspruchnahme der Leistung zu stellen und die Unaufschiebbarkeit dabei zu betonen.
In Sozialgerichtsverfahren haben Krankenkassen sogar damit argumentiert, dass bereits die Erteilung des Auftrags für eine Leistung die „Inanspruchnahme“ der Leistung ist. Grundlage ist ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 8.9.2015 (B 1 KR 14/14 R). Das Unterschreiben eines Behandlungsvertrages wäre so ein typischer Fall für eine Auftragserteilung. Also auf keinen Fall einen solchen Behandlungsvertrag unterschreiben, bevor der Antrag an die Kasse gestellt ist und auch nicht am gleichen Tag, selbst bei Unaufschiebbarkeit.
Muss auf die Genehmigung des Antrags gewartet werden?
Im Allgemeinen ja. Hierfür gibt es Festlegungen zu den Fristen in § 13 SGB V.
Liegt jedoch eine Unaufschiebbarkeit für die beantragte Leistung vor und reagiert die Kasse nicht schnell genug, muss nicht gewartet werden (§ 13 SGB V Abs. (3)). Unaufschiebbarkeit liegt z. B. bei den Maßnahmen zur Fruchtbarkeitserhaltung vor. Es ist daher wichtig, die Unaufschiebbarkeit im Antrag zu betonen.
Wie muss man den Antrag stellen?
Für den Antrag ist keine Form vorgeschrieben:
- ein telefonisch gestellter Antrag ist möglich und ist bei Unaufschiebbarkeit sehr sinnvoll.
Vorsicht, der Nachweis ist problematisch:
Tag, Uhrzeit, Namen des Mitarbeiters notieren und Zettel abheften. - Ein formloser schriftlicher Antrag ist besser – er sollte gegebenenfalls nach einem telefonischen Antrag nachgereicht werden:
„… wie telefonisch am xx.xx. mit Herrn/Frau xxx besprochen, stelle ich den Antrag…“ - Grundsätzlich kann der Antrag auch auf der Geschäftsstelle der Kasse „zur Niederschrift gegeben werden“ (mündlicher Antrag, wird dort aufgeschrieben)
- Kopie des Antrags machen / geben lassen, ggf. Handy-Foto und sicher speichern.
- Medizinische Begründung durch den Arzt beifügen. Diese kann nachgereicht werden.
- Antrag per Einschreiben schicken
- oder Fax schicken und Sendebericht ausdrucken
- normale E-Mail ist nicht ausreichend.
- Manche Kassen haben die Möglichkeit zur elektronischen Einreichung.
Allgemeine Formulierungshilfe für Antrag an gesetzliche Krankenkasse
(Absender: Name, Adresse)
(an die xxKasse, Adresse)
Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich bin an (xxx) erkrankt. Hiermit beantrage ich die Kostenübernahme für (xxx). Eine medizinische Begründung meines Arztes reiche ich nach.
Mit freundlichen Grüßen
(Ort, Datum)
(Unterschrift mit Vor- und Nachnamen)
Antrag auf Kostenerstattung nach Erhalt der Rechnung
Schlecht. Hier hat die Krankenkasse die Möglichkeit, die Erstattung mit Hinweis auf § 13 SGB V abzulehnen. Der Antrag hätte gestellt werden müssen, bevor die Leistung in Anspruch genommen wurde.
Unaufschiebbare Leistungen
Ist z. B. die Kryokonservierung zur Fruchtbarkeitserhaltung vor einer notwendigen Chemotherapie unaufschiebbar und trifft die Genehmigung der Krankenkasse nicht rechtzeitig vor der Durchführung der Maßnahme ein oder lehnt die Kasse zu Unrecht ab, dann muss sie die Kosten in der tatsächlich entstanden Höhe übernehmen.
Rechtsgrundlagen
Nähere Regelungen zur Kostenerstattung durch die Krankenkassen finden sich in § 13 SGB V.
Auch telefonische Anträge haben Geltung nach einem Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz.
Die Notwendigkeit, den Antrag vor der Inanspruchnahme der Leistung zu stellen ist aufgrund der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung gegeben: Bundessozialgericht Urteil vom 10.02.1993, Az.: 1 RK 31/92, SozR 3-2200 § 182 Nr. 15, Urteile vom 16.12.1993, Az.: 4 RK 5/92, SozR 3-2500 § 13 Nr. 4, vom 24.09.1996, Az.: 1 RK 33/95, BSGE 79, 125, und vom 15.04.1997, Az.: 1 BK 31/96.
Zur Frage Sachleistungsprinzip und Kostenerstattung bei gesetzlichen Krankenkassen finden sich sehr gute Ausführungen bei: IGES Institut in Zusammenarbeit mit Gerhard Igl – Leistungsbewilligungen und -ablehnungen durch Krankenkassen, Seite 41 ff.
Recht auf schriftlichen Bescheid
Die Antragstellenden haben das Recht auf einen schriftlichen Bescheid. Vor allem bei einer Ablehnung des Antrags sollte auf einem schriftlichen Ablehnungsbescheid bestanden werden! Nur dann kann die Begründung geprüft und ggf. Widerspruch erhoben werden.
Rechtsbehelfsbelehrung: Sie ist als Teil eines Ablehnungsbescheids rechtlich vorgeschrieben, fehlt aber dennoch des Öfteren.
Wie sieht die Rechtsbehelfsbelehrung aus?
Beispiel 1:
Wenn Sie mit der Entscheidung nicht einverstanden sind, können Sie innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch einlegen, entweder schriftlich oder in Ihrer Geschäftsstelle vor Ort: (Adresse der Geschäftsstelle). Wir nehmen den Widerspruch dann gerne schriftlich für Sie auf.
Beispiel 2:
Hinweis: Sie haben die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen. Bitte informieren Sie uns hierüber schriftlich innerhalb eines Monats, nachdem Sie unseren Brief erhalten haben. Ihren Widerspruch richten Sie dann an die (Name der Krankenkasse, Adresse). Selbstverständlich können Sie Ihren Widerspruch auch in der (Adresse der Geschäftsstelle der Krankenkasse) oder in jeder anderen Geschäftsstelle aufnehmen lassen.
Achtung! Die Rechtsbehelfsbelehrung befindet sich manchmal auf einer 2. Seite oder Rückseite und kann übersehen werden.
Warnung: Anruf der Krankenkasse…
Gibt es eine telefonische Genehmigung des Antrags, ist das nach unseren Erfahrungen wohl kein Problem.
Bei Ablehnungen sehen die Erfahrungen ganz anders aus. Viele Betroffene fühlen sich durch Telefonate der Krankenkassen bedrängt und überfordert. Sagen Sie einfach:
„Ich kann das jetzt nicht aufnehmen. Schicken Sie mir bitte einen Brief.“
Man hat das Recht auf einen schriftlichen Bescheid. Mit dem kann man sich besser auseinandersetzen und sich Rat holen.
Telefon-Tricks der Kassen
Beispiel 1:
Betroffene berichten, dass sie am Telefon bedrängt werden, den Antrag zurückzuziehen, z. B. in dem Sinne: „Der Antrag hat keine Chance, wollen Sie ihn nicht zurückziehen“.
Beispiel 2:
Betroffenen werden unrealistische Vorschläge gemacht: „Es ist besser, wenn Sie den Antrag jetzt zurückziehen. Sie können ja später, wenn sich die Gesetzeslage geändert hat, erneut einen Antrag stellen.“ Dabei sollte der Mitarbeiter im Call Center genau wissen, dass das nicht geht.
… aber was am Telefon gesagt wird, ist dann eben auch nicht nachweisbar.
Es gibt keinerlei Verpflichtung, solche Telefonate zu ertragen!
Schlussbemerkung: Diese Informationen sind nach bestem Wissen zusammengestellt, können jedoch eine Rechtsberatung nicht ersetzen. Insbesondere können spezielle Einzelfälle nicht angemessen berücksichtigt sein.