Privat gezahlte Lagerkosten für Keimzellen auf Kassenfinanzierung umstellen
Hintergrund und Rechtslage für Kassenpatient:innen
Für einen späteren Einsatz von eingefrorenen Spermien, Eizellen, von Hodengewebe oder Eierstockgewebe ist nach dem Einfrieren eine langfristige Lagerung im flüssigen Stickstoff notwendig. Die Lagerung erfolgt meist nicht bei den Ärzten, die die Entnahme und Aufbereitung der Keimzellen durchgeführt haben. In der Regel werden die Keimzellen in speziellen Kryobanken langfristig gelagert.
Durch die Änderung des § 27a SGB V und nach der Formulierung der Richtlinie durch den Gemeinsamen Bundesausschuss ist die Langzeitlagerung der Keimzellen eine Kassenleistung. Auch notwendige Transporte werden von den Kassen bezahlt.
Kassenfinanzierung auch für „Altfälle“ und wenn über einen privaten Vertrag noch selbst gezahlt wird
In der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses ist in § 7 festgelegt, dass die Krankenkassen die Lagerkosten für Eizellen, Eierstockgewebe (ab 1.7.2023), Spermien und Hodengewebe auch dann übernehmen müssen, wenn die Kryokonservierung vor dem 1.7.2021 durchgeführt wurde.
Dafür muss ein Antrag an die Krankenkasse gestellt werden.
Auch etliche Betroffene, die ihre Kryokonservierung nach dem 1.7.2021 hatten, zahlen die Lagerkosten noch aus verschiedenen Gründen selbst. Auch sie können einen Antrag auf Kassenfinanzierung stellen.
Keine rückwirkende Übernahme der Lagerkosten durch die Krankenkassen
Häufig bekommen wir die Frage gestellt, ob privat gezahlte Lagerkosten auch rückwirkend durch die gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden können. Dies wird leider aufgrund der Regelungen in § 13 SGB V nicht der Fall sein. Die Krankenkassen werden in der Regel die Kosten nur für die Zukunft nach Bewilligung eines Antrags übernehmen.
Wie geht man vor, damit die gesetzliche Krankenkasse die Lagerkosten übernimmt?
Der Ablauf ist leider kompliziert.
- Im § 7 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses ist festgelegt, dass ein Antrag an die Krankenkasse zu stellen ist.
- Dem Antrag ist eine ärztliche Bescheinigung nach § 4 Satz 2 Nummer 1 der Richtlinie beizufügen.
- Dann ist zu klären, ob die Kryobank, bei der die Zellen lagern, auch mit den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen kann.
- Ist dies nicht der Fall, kann man sich durch den Arzt oder das Zentrum, das die Kryokonservierung durchgeführt hat, eine Kryobank nachweisen lassen, die dies kann und die Zellen dort hin umlagern.
- Bekommt man durch den Arzt in Schritt 4 keinen Nachweis einer abrechnungsfähigen Kryobank, sollte man diesen Nachweis von der zuständigen kassenärztlichen Vereinigung verlangen.
In der Folge geben wir Hilfen für die einzelnen Schritte.
Hier ein Muster für den Antrag. Er sollte schriftlich eingereicht werden.
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(Vor- und Nachname)
(Straße)
(PLZ Wohnort)
An die
(….Krankenkasse)
(Straße)
(PLZ Ort)
(Wohnort), den (Datum)
Betrifft: Übernahme von Lagerkosten für Keimzellen nach Kryokonservierung
Versicherten-Nummer: xxxx, Kryokonservierung von Keimzellen im Jahr xxxx
Sehr geehrte Damen und Herren,
Ich habe seinerzeit wegen einer keimzellschädigenden Therapie eine Kryokonservierung von (xxxx Eizellen, Eierstockgewebe, Spermien, Hodengewebe – nicht Zutreffendes streichen) vornehmen lassen.
Ich beantrage auf Grundlage des § 7 der Kryo-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses die Übernahme der Lagerkosten durch Sie.
Die Bescheinigung meines Arztes entsprechend § 4 Satz 2 Nummer 1 der Richtlinie füge ich bei.
Bitte übersenden Sie mir Ihre Kostenübernahmeerklärung.
(xxx Ort, Datum, Unterschrift mit Vor- und Nachnamen)
Die Bescheinigung bitte durch den Facharzt ausfüllen lassen, der die Krebserkrankung behandelt hat oder der die Nachsorge durchführt. In der Regel wird das die entsprechende Onkologin sein.
Über den folgenden Link kann eine Vorlage für die Bescheinigung abgerufen werden:
Bescheinigung entsprechend § 4 Satz 2 Nummer 1 der Kryo-Richtlinie des G-BA
Da die Lagerung der Keimzellen bisher über einen privaten Vertrag erfolgt, muss eine Umstellung auf Kassenfinanzierung vorgenommen werden. Es ist wichtig, diesen Vorgang schriftlich zu dokumentieren! Daher bitte auf einer schriftlichen Antwort bestehen, nicht mit einem Telefonanruf zufrieden sein!
Es kann gut sein, dass die Kryobank mitteilt, dass sie die Lagerkosten nicht mit der gesetzlichen Krankenkasse abrechnen kann. Der rechtliche Hintergrund ist, dass hierfür ein Kooperationsvertrag mit einem Kassenarzt notwendig ist, den manche Kryobanken aus verschiedenen Gründen nicht haben. Für diesen Fall sollte man sich eine Kryobank nachweisen lassen, die diese Abrechnung durchführen kann.
Hier das Muster für das Schreiben an die Kryobank:
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(Vor- und Nachname)
(Straße)
(PLZ Wohnort)
An die
(….Kryobank)
(Straße)
(PLZ Ort)
(Wohnort), den (Datum)
Betrifft: Künftige Abrechnung der Lagerkosten Vertrag Nr. xxxx mit
meiner gesetzlichen Krankenkasse: xxxx Versicherten-Nummer: xxxx
Sehr geehrte Damen und Herren,
Lassen Sie mich vorab feststellen, dass meine kryokonservierten Keimzellen weiter gelagert werden sollen. Meine Krankenkasse erklärt in den beiliegenden Schreiben, dass sie die Lagerungskosten für meine Kryokonservierung übernimmt.
Ich möchte daher aus formalen Gründen den bisherigen privaten Lagervertrag kündigen und bitte Sie, die Kosten für die Lagerung künftig mit meiner Krankenkasse abzurechnen.
Bitte bestätigen Sie mir den Erhalt dieses Schreibens und die Umstellung der Abrechnung als Kassenleistung.
Sollte eine Abrechnung der Lagerkosten mit den gesetzlichen Krankenkassen bei Ihnen nicht möglich sein, bitte ich um den Nachweis einer Kryobank, bei der diese Möglichkeit besteht.
Für Ihre Antwort habe ich mir den (xxxx – Frist 14 Tage) vorgemerkt.
(xxx Ort, Datum, Unterschrift mit Vor- und Nachnamen)
Hier das Muster für das Schreiben an den Arzt, das Kinderwunschzentrum:
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(Vor- und Nachname)
(Straße)
(PLZ Wohnort)
An
(…Facharzt, Kinderwunschzentrum)
(Straße)
(PLZ Ort)
(Wohnort), den (Datum)
Betrifft: Künftige Direktabrechnung der Lagerkosten für meine kryokonservierten Keimzellen mit meiner gesetzlichen Krankenkasse: xxxx Versicherten-Nummer: xxxx
(Vorname, Name, Geburtsdatum, Jahr der Kryokonservierung)
Sehr geehrte …,
Ich hatte bei Ihnen seinerzeit eine Kryokonservierung zur Erhaltung meiner Fruchtbarkeit bei keimzelltoxischer Therapie durchführen lassen. Leider ist die Kryobank, bei der die Keimzellen lagern, nicht in der Lage, die Kosten mit der gesetzlichen Krankenkasse abzurechnen.
Hiermit bitte ich um den Nachweis einer Kryobank, bei der diese Möglichkeit besteht.
Für Ihre Antwort habe ich mir den (xxxx – Frist 14 Tage) vorgemerkt.
(xxxOrt, Datum, Unterschrift mit Vor- und Nachnamen)
Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind für die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung zuständig. Hierzu gehört auch die Langzeitlagerung der Keimzellen, ohne die die nachfolgenden Maßnahmen einer Kinderwunschbehandlung ja nicht möglich ist.
Die Adresse der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung findet man über das Internet z.B. Google heraus. Stichworte: Kassenärztliche Vereinigung (Bundesland). Die Adresse findet man im Zweifelsfall unter dem Impressum auf der Seite der Kassenärztlichen Vereinigung ganz unten.
Die Anfrage sollte in jedem Fall als Brief, möglichst als Einwurfeinschreiben erfolgen.
Hier das Muster für die Anfrage:
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(Vor- und Nachname)
(Straße)
(PLZ Wohnort)
An die
Kassenärztliche Vereinigung (…Bundesland)
(Straße)
(PLZ Ort)
(Wohnort), den (Datum)
Betrifft: Kryokonservierung wegen keimzelltoxischer Therapie
Hier: Nachweis von Kryobanken, die die Langzeitlagerung von Spermien mit den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen können.
Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich habe seinerzeit bei einer Krebserkrankung auf Anraten meiner Ärzte eine Kryokonservierung von Keimzellen vornehmen lassen.
Die Langzeitlagerung dieser Keimzellen eine Kassenleistung. Leider ist meine Kryobank jedoch nicht in der Lage, diese Leistung mit den Krankenkassen abzurechnen. Ich bitte Sie daher um den Nachweis von Kryobanken, die diese Leistung entsprechend abrechnen können.
Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass die Kryo-Lagerung unmittelbare Voraussetzung für die nachfolgende Kinderwunschbehandlung ist und daher als Maßnahme zur Kryokonservierung gehört. Damit fällt diese Leistung in den Bereich Ihres Sicherstellungsauftrags.
Des Weiteren mache Sie auf die Tatsache aufmerksam, dass Ihnen nach Absatz 3, § 1 der Anlage 35 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) (https://www.kbv.de/media/sp/Anlage_35_Kryo-Vereinbarung.pdf) die Kooperationen mit den Kryobanken durch die Kassenärzte nachgewiesen werden müssen. Sie haben daher die entsprechenden Informationen vorliegen.
Für Ihre Antwort habe ich mir den (xxxx – Frist 14 Tage) vorgemerkt.
(xxx Ort, Datum, Unterschrift mit Vor- und Nachnamen)
Bitte um Erfahrungsberichte
Leider ist die Umstellung der Lagerung auf Kassenfinanzierung kompliziert und es könnte hier und da Probleme geben.
Wir sind hochgradig an der Reaktion der Kryobanken interessiert, da sich diese Probleme für eine Vielzahl von Patient:innen stellen und wir Erfahrungen brauchen.
Berichte bitte an: info@junge-erwachsene-mit-krebs.de
Im konkreten Fall helfen wir von der Stiftung gern.
Wer privat krankenversichert ist, kann die Rechnungen der Kryobank an die Krankenversicherung einreichen. Hier ändert sich nichts. Im Zweifelsfall nachfragen.
Beamtinnen und Beamte können die Rechnungen der Kryobank bei der Beihilfe und ihrer meist privaten Krankenversicherung einreichen. Hier ändert sich nichts. Im Zweifelsfall nachfragen.
Bei etwa 2,5% der Menschen ist ein sonstiger Kostenträger zuständig. Dazu gehören z.B. die Heilfürsorge für Bundespolizei, Bereitschaftspolizei, Berufsfeuerwehr oder Sozialhilfeträger.
Auch dort werden in der Regel die Rechnungen der Kryobank eingereicht. Insofern sollte sich nichts ändern. Im Zweifelsfall nachfragen.
Stand: 22.6.2023